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Werdegang
Dieses RPG wurde in 4 Teilen geschrieben,
um Neuanfängern ein Bild zum Einstieg zu geben. Leider verlief dies aber im
Sande und nun gibt es hier die Erstveröffentlichung.
Mural Dyrinn
Imperiale Akademie
02.05.971 IZ
Der Tag begann so wunderschön. Träge blinzelnd schaute ich in das
Sonnenlicht, das durch die halb geschlossene Blende am Fenster fiel und war
sofort wach. Ich gähnte herzhaft, kratzte mir den Bauch und wühlte mich aus
den Laken. Das letzte Wochenende war durchsetzt gewesen mit Feiern,
Entspannen und Gammeln, vornehmlich aber ersteres. Leicht wankend suchte ich
mir meinen Weg Richtung Hygienezelle und vermied es einigermaßen
erfolgreich, nicht über die Hindernisse am Boden zu stolpern. Eine halbe
Stunde und eine ausführliche Dusche später sortierte ich meine Buchchips und
suchte Folien für die heutigen Seminare zusammen. Da ertönte dumpf eine
Stimme aus dem Wust von Kissen und Decken auf der gegenüber liegenden
Zimmerseite.
„Nicht so laut, Jon. Mein Kurs in Biomechanik fällt heute aus. Meisterin
Duriell da Achron hatte gestern einen Unfall im Labor und die Untersuchungen
diesbezüglich sind noch nicht abgeschlossen.“
„Ach und um das gebührend zu würdigen, habt ihr mit dem Gedanken der
verletzten Meisterin gleich ein bisschen zu lange gefeiert und euch mit
Alkoholika betäubt, hmm?“
Der verbale Hieb traf und mein Mitbewohner drehte sich grunzend auf die
andere Seite, beachtete mich nicht weiter und driftete langsam wieder in
Richtung Traumland.
In mich hineinlachend verließ ich das Zimmer und betrachtete vor dem sich
schließenden Schott die Namensschilder.
<<Jon da Corelis, Absolvent der Imperialen Akademie, Zweig
Droidentechnologie und Personalführungsstrategien>>
<<Arkhas da Dragov, Absolvent der Imperialen Akademie, Zweig Wirtschaft und
Biogenetik>>
Still lächelnd strich ich über die Schriftzüge und machte mich zu den
Seminarräumen auf. Zuerst zwei Stunden militärische Gruppenstrategie bei
Meister Lasse da Dragov, danach zwei elend lange Blöcke Laserwaffentechnik
bei Meister Zaebos da Achron. Mein Weg zu den Auditorien führte mich durch
die großen Arkaden und so bleib ich stehen und ließ meinen Blick über tiefer
liegenden die Ausläufer der Hauptstadt gleiten. Im Westen blitzte der
Silberne Turm als Wahrzeichen meines Hauses im Licht der Morgensonne, im
Osten kräuselten sich die Rauchfahnen der Ewigen Feuer vom Haus Siveria. Die
Komplexe von Achron und Dragov gingen im Gewirr der Kuppeln und Türme unter.
Allein der Imperiale Palast stach mit seiner massiven Größe aus allem
heraus. Wie ein riesiger Fels in einem Meer aus Hügeln ragte er der
Häuserlandschaft empor, zog die Blicke auf sich und dominierte das Stadtbild
mit seiner schieren Ausstrahlung von Macht. Dort lag mein Ziel, eines Tages
würde ich der Garde angehören und meine Karriere zum Wohle der Menschheit
bestreiten. Vielleicht würde ich es sogar bis in die Ränge der Augen des
Imperators schaffen, seiner Elitekämpfer und –beauftragten.
Heute Nachmittag aber würde ich erstmal meinen ersten Einsatz in einem
Trainingsdroiden haben. Eigentlich ungewöhnlich für jemanden im vierten
Trimester, aber scheinbar waren meine Leistungen in den Simulatorschlachten
überzeugend genug gewesen. Ich würde zwar nur einen Testsprul mit
deaktivierten Waffenleitkreisen bekommen, aber das war steigerungsfähig,
sollte ich mich nicht zu dumm anstellen. Und das hatte ich nicht vor. Davor
hatten die Rektoren aber noch einen theoretischen Test gesetzt, um zu
überprüfen, ob ich die Handhabung im Kopf genauso gut beherrschte wie ich im
Simulator gezeigt hatte.
Erschöpft kam ich in den Umkleideraum, das Training war anstrengender
gewesen, als ich es mir hatte vorgestellt können. Die Kontrollen reagierten
anders, das Feedback über den Helm war anders; ich würde von neuem lernen
müssen, einen Droiden zu steuern. Ich war allein in diesem Gebäudekomplex,
die Sonne war schon lange untergegangen und die Uhr in meinem Handrücken
zeigte 2200. Mein ganzer Körper schien aus einem einzigen Schmerz zu
bestehen, eine Heißwassermassage würde jetzt wirklich gut tun. Also schnell
die Kombination im Schrank verstaut, den Rest ausgezogen und in den
Wäscheschacht geworfen. Genießerisch streckte ich mich auf dem Tisch aus und
spürte, wie die pulsierenden Strahlen wieder Gefühl in meinen Körper
trommelten.
Etwa dreißig Minuten später schlich ich leicht schläfrig zurück zu den
Schränken, holte mir eine neue Kleiderkombination aus dem Spender und warf
mir den Rest über die Schulter. Um die Uhrzeit würde niemand mehr großartig
in den Gängen unterwegs sein, den ich mit meinem Aufzug schockieren konnte.
Auf etwa halbem Wege kam ich an den Sporthallen vorbei und hörte einige
Stimmen. Eine davon klang definitiv ängstlich und bekannt kam sie mir auch
vor, die anderen konnte ich nicht einordnen. Schnell schlüpfte ich in den
Overall und bemühte mich um Geräuschlosigkeit, als ich mich durch die Gänge
bewegte.
Woher sollte ich denn ahnen können, dass heute mein Schicksal zuschlagen
würde.
Vorsichtig lugte ich um die Ecke, versuchte aber, mich so gut es ging in den
Schatten zu halten. Dort stand Arkhas mit dem Rücken an der Wand, umringt
von fünf anderen Studenten. Den Hauswappen nach waren es drei von Siveria
und zwei von Achron. Ich versuchte, meinen Atem zu beruhigen und lauschte.
„Also, was ist nun mit unseren Informationen?“
„Ich habe euch doch schon gesagt, dass ich mich nicht mehr für euch ins
interne Datennetz hacke. Wenn ihr unbedingt bei den Prüfungen mit Gut oder
besser abschneiden wollt, dann lernt auf die altmodische Weise aus euren
Büchern und Notizen.“
„Du kleiner Klugscheißer. Du hast es einmal gemacht, du tust es also auch
wieder für uns. Sonst kann es zufälligerweise passieren, dass aus Versehen
ein Datenkristall beim Direktorialrat auftaucht, wo ein paar Hinweise
bezüglich des letzten Zwischenfalls zu finden wären.“
„Das letzte Mal habt ihr mich auch erpresst, diesmal spiele ich aber nicht
mit. Wenn ihr mich da reinziehen wollt, bitte. Aber dann ziehe ich euch mit,
ihr aufgeblasenen Schranzen.“
„Oh habt ihr das gehört? Die kleine Schildkröte wird mutig! Aber pass nur
auf, du bist nicht unangreifbar.“
Die Tonlage der Stimme wurde eine Spur bösartiger und das folgende
kollektive Lachen gefiel mir nicht. Diese feigen Ratten hatten etwas vor.
Arkhas schien das auch zu bemerken, denn sein Gesichtsausdruck wechselte von
trotzig zu unsicher.
„Schaut mal, die Krämerseele hat die Hosen voll. Vermutlich ahnt er, was ihn
jetzt erwartet.“
Der Kreis um meinen Freund schloss sich immer mehr, einige ließen die
Knöchel ihrer Hände knacken. Wenn ich jetzt nicht eingriff, würde das
garantiert kein gutes Ende nehmen.
„Hey, lasst ihn in Ruhe, ihr Schmarotzer. Geier und Schlangen trauen sich
wohl nur in der Gruppe an einen Gegner.“
Die Blicke der Gestalten richteten sich auf mich, einer erstaunt und
erfreut, der Rest eher geringschätzig und abwertend.
„Oh, ein kleines Kätzchen, das versucht, zu fauchen.“
„Jon, bitte, lass mich das regeln, ich werde damit…“
„HALT DIE KLAPPE, DU VERLIERER.“ schrie der Wortführer Arkhas an, dann
wandte er sich wieder mir zu. „Wir werden den beiden jetzt eine kleine
Lektion erteilen, denkt ihr nicht auch?“
Lachend zogen sich die fünf Handschuhe an, während Arkhas sich durch die
Reihe drängte und an meine Seite eilte.
„Du hättest dich nicht einmischen dürfen.“ schnaufte er.
„Blödsinn, wozu sind wir Freunde? Aber jetzt geht der Tanz richtig los.“
In dem Moment griffen sie an. Schnell waren wir umzingelt und ich wartete
auf die ersten Manöver. Nur aus den Augenwinkeln sah ich eine Faust auf mich
zukommen, duckte mich, ergriff den Arm und schleuderte meinen Gegner mit
einem Ruck auf einen seiner Kumpane. In dem Augenblick war schon der nächste
heran und ich kassierte einen Hieb in die Nieren, der mich Sterne sehen
ließ. Ich war noch vom Training ausgepumpt. Stöhnend sackte ich zur Seite
und konnte sehen, dass sich Arkhas um Längen besser schlug - zwei der
Feiglinge lagen stöhnend am Boden und der Dritte befand sich in einem
Schwitzkasten. Mich an der Wand abstützend, kam ich langsam wieder auf die
Beine und richtete meine Aufmerksamkeit auf die Verbliebenen. Da wurde mein
Blick von etwas glänzendem angezogen. Einer hatte ein Messer gezogen und kam
nun langsam auf mich zu, die Klinge vor sich hin und herschwenkend.
Vorsichtig wich ich zurück, auf einen günstigen Moment wartend – und er kam.
Sich völlig auf die Überlegenheit seiner Waffe verlassend, sprang er vor und
stieß zu. Darauf hatte ich nur gewartet. Schnell wich ich zur Seite aus,
ergriff sein Handgelenk, riss mein Knie nach oben und drehte. Aufschreiend
ließ er die Klinge fallen und ich fing sie auf. In dem Moment krachte jemand
von hinten auf mich und störte mein Gleichgewicht. Reflexartig drehte ich
mich um, stieß meine Arme nach vorn, um den vermeintlichen Angriff
abzuwehren, bohrte dabei das Messer zwischen die Rippen von Arkhas und sah
in die brechenden Augen meines Freundes.
Wie durch Watte nahm ich ein Stimmengewirr wahr, der Feueralarm klang durch
die Flure und steigerte sich mit den Umgebungsgeräuschen zu einem lärmenden
Chaos. Mit dem Dolch in der linken Hand hockte ich auf dem Boden, den Kopf
des Freundes auf dem Schoß, die tiefe Wunde in der Brust mit der rechten
abdeckend. Ich bewegte meinen Oberkörper wie in Trance vor und zurück,
Tränen verschleierten meinen Blick und ich rief mit erstickter Stimme in die
immer größere Menge Schaulustiger hinein.
„Holt einen Mediker, er verblutet! So holt doch Hilfe, seht ihr denn nicht,
dass er stirbt? Nein, Arkhas, halte durch, gleich kommt jemand…“
Ich versuchte, mit der linken Hand die Augen frei zu wischen und bemerkte
dabei nicht das Blut, dass ich mir dabei quer über das Gesicht schmierte.
Ein paar Stunden später befand ich mich in einem kahlen Raum, nur 2 Stühle
und ein Tisch existierten als Mobiliar. Verzweifelt hockte ich auf einem der
stählernen Sitze und starrte abwechselnd auf die zwei Gardesoldaten und das
zwischen ihnen befindliche Schott. Nachdem die Sicherheitskräfte mich vom
Ort des Unfalls weggebracht hatten, konnte ich mich schnell säubern und
hatte neue Kleidung bekommen – der Blutgeruch hing aber immer noch an mir.
Zischend öffneten sich die Hälften und eine komplett in Schwarz gekleidete
Gestalt betrat den Raum. Sofort nahmen die beiden Soldaten eine noch
strammere Haltung ein, salutierten kurz mit der Faust vor der Brust und
gingen dann hinaus.
Der Mann ging stumm um den Tisch herum und setzte sich mir gegenüber langsam
hin. Dann legte er ein paar Kristalle und ein Lesegerät vor sich und
musterte mich wortlos einige Minuten lang.
„Ihnen ist klar, was man ihnen vorwirft?“
„Ich wüsste nicht, was man mir vorwerfen sollte. Ich habe versucht, meinem
Freund zu Hilfe zu eilen und im folgenden Kampf kam es zu dem Unfall.“
„Nun, die Aufzeichnungen der Überwachungseinheiten sprechen eine andere
Sprache. Es ist deutlich zu sehen, dass sie Arkhas da Dragov die Klinge in
die Brust rammten, was zu einem Kollaps der Lungen führte – mit Todesfolge,
wie ihnen bekannt ist.“
„Aber das war ein Unfall. Ich merkte nur, wie von hinten ein Körper auf mich
prallte und mich aus dem Gleichgewicht warf. Ich wollte mich nur umdrehen,
um denjenigen abzuwehren. Ich konnte doch nicht wissen, dass…“
„Sparen sie sich den Sermon. Nur ihre Fingerabdrücke sind auf der Waffe.
Auch wurden die anderen Personen nachträglich aus den Aufzeichnungen heraus
retuschiert, es sind also nur sie und ihr Mitbewohner in einem seltsamen
Ballett mit fatalem Ende zu sehen. Geben sie mir etwas, mit dem ich arbeiten
kann – zum Beispiel die Namen ihrer Komplizen. Dann lege ich ein gutes Wort
für sie ein.“ Ich war sprachlos. Diese hinterhältigen Wiesel wollten mir das
in die Schuhe schieben, jetzt kam mir auch wieder in Erinnerung, dass sie
sich extra Handschuhe angezogen hatten. Die Wut trieb mir Tränen in die
Augen, ich hatte mich übertölpeln lassen wie ein Fünfjähriger.
„Das sind NICHT meine Komplizen. Ich weiß nur, dass es drei von Siveria und
zwei von Achron waren. Die Namen kenne ich leider nicht, sonst würde ich sie
nur zu gerne ans Messer liefern.“
„Würde es ihnen weiterhelfen, wenn ich ihnen die Studenten zeigen könnte,
die zum Zeitpunkt der Tat nicht in ihren Zimmern waren?“ „Solche
Informationen gibt es? Das würde gegen die Privatsphäreklausel verstoßen.“
„Nun, zumindest gibt es sie offiziell nicht. Aber sollten sie das
rausposaunen, werden wir alles tun, um ihre Glaubwürdigkeit endgültig in den
tiefsten Bunker zu verfrachten. So aber helfen sie uns und auch sich
selber.“
„Zeigen sie her, vielleicht sind sie darunter…“
Der Rat betrat den Gerichtssaal wieder und schlagartig verstummte das
Gemurmel. Die Gesichter der vier Richtsprecher waren ausdruckslos und
steinern, keine Regung war ihnen anzusehen.
„Die Angeklagten mögen sich erheben, um das Urteil zu empfangen.“
Kleidung raschelte und aus den Augenwinkeln sah ich, wie die fünf anderen
ebenfalls aufstanden.
Daralia da Siveria als Wortführerin trat einige Schritte vor und blickte von
der Empore auf den Saal herab.
„Ich verkünde das Urteil. Alle sechs Angeklagten haben sich des Mordes oder
der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht. Darauf kann es nur eine Strafe
geben.“
Sie machte eine Pause, schaute jedem von uns mit Abscheu in die Augen, holte
tief Luft und fuhr fort.
„Hiermit seid ihr mit allen Konsequenzen aus dem Imperium verbannt und
werdet abgeschoben. Dieses Urteil ist nicht anfechtbar und innerhalb von 48
Stunden zu vollstrecken.“
Nach diesen Worten stampfte sie mit dem Phönixstab dreimal auf den Boden.
Tumult brach hinter mir aus und ich hörte vereinzelte Schreie, eine Frau
fing lauthals an zu weinen. Und in mir spürte ich etwas sterben; eine Leere
erfüllte mich, die ich nicht in Worte fassen konnte. Die zwei Gardisten
nahmen mich wieder in die Mitte und versuchten mich aus dem Saal zu leiten.
Doch dieses Urteil hatte mich jedweder Kraft beraubt. Wie war so etwas
möglich? Ich hatte doch nur helfen wollen und nun folgte ich diesen
Verbrechern in die Verbannung.
Als ich nach mehreren Aufforderungen noch nicht reagierte, wurde ich grob
unter den Armen ergriffen und weggeschleift, mehr automatisch als
willentlich setzte ich ein Bein vor das andere. Das letzte Bild, das ich
bewusst aus dem Saal mitnahm, war meine Mutter, die sich schluchzend auf
meinen Bruder stützen musste – und beide sahen von mir weg.
Stumm starrte ich auf den mir schon bekannten Beamten des Geheimdienstes
herab. Auf dem Tisch vor ihm ausgebreitet waren alle persönlichen
Gegenstände, die sich in meinem Zimmer befunden hatten.
„Ihnen ist bewusst, was nun passieren wird?“
Reflexartig schüttelte ich den Kopf.
„Ihr Name und damit korrelierende Daten werden in allen Archiven gelöscht,
es wird nur noch ein Backup in der imperialen Zentral-KI existieren – unter
Verschluss, versteht sich. Mit dem Verlust ihres Namens verlieren sie auch
alle Rechte, die sie hier haben oder hätten haben können. Denken sie sich
schon mal ein Synonym aus, mit dem man sie ansprechen kann, der alte Name
steht ihnen jetzt nicht mehr zur Verfügung. Das Ganze wird mit einer
Psychosperre kombiniert. Sie werden noch alles wissen, aber mit niemandem
darüber sprechen können. Des Weiteren bringen sie nun bitte ihre
persönlichen Sachen hier dort hinüber zum Reaktorschacht, sie werden dort
vernichtet. Von heute an hat Jon da Corelis nie existiert. Na nun machen sie
schon, oder soll ihnen das auch noch abgenommen werden? Einen schönen Tag
noch.“
Bei den Worten schaute er auf die Folien vor sich und widmete sich
wichtigeren Dingen.
Die Merger entfernten sich stampfend. Nur noch der Negator des Agenten stand
wartend neben dem Berg an Ausrüstung, der meine neue Heimat werden sollte.
Abschätzend beschaute er sich die Gegend, nickte dann und kam auf mich zu.
„Nette Gegend hier, sie hätten es auch schlimmer treffen können.“
„Ich wüsste nicht, wie es denn noch schlimmer hätte kommen können!“
entgegnete ich mit Grabesstimme. Meine Laune, mein Leben und meine Zukunft
waren auf dem Tiefpunkt. Ich hatte innerhalb von zwei Tagen alles verloren,
was mir etwas bedeutet hatte und dieser gelackte Affe wollte mich mit
solchen Sätzen aufmuntern?
„Nun ja. Ich darf ihnen zumindest sagen, dass sie sich rehabilitieren
können. Dass sie in dieses .. bedauerliche Geschehen mit eher guten
Absichten hineingerutscht sind, ist uns bekannt. Sie gehören zu den maximal
5% aller Ausgestoßenen, denen dieses Angebot gemacht wird. Beweisen sie sich
in der Zukunft und eventuell wird der Bann zurückgenommen, ihr Exil muss
also nicht von Dauer sein. Aber seien sie vorsichtig. Die Absolventen, die
sie mit ihrer Aussage auch mit zur Verurteilung gebracht haben, sind hier im
größeren Umfeld abgesetzt worden. Und sie sind gar nicht gut auf sie zu
sprechen. Sehen sie also zu, dass sie auf die Beine kommen. Hier ist ihr
persönlicher Aktivierungscode für die KI. Wenn die ersten Ausbaustufen
fertig sind, werden sie einen Grundstock an Genmaterial und Personal
bekommen. Den Rest sollten sie wissen, oder er wird ihnen erklärt. So oder
so werden sie aber noch eine Menge zu lernen haben.“
Mit diesen Worten übergab er mir ein kleines Stück Folie, drehte sich um,
ging zu seinem Negator und verschwand, nachdem er die Chamäleonfunktion der
Panzerung aktiviert hatte. Unschlüssig stand ich vor dem Haufen Technik und
schaute in die Runde; dies sollte also mein neues Zuhause werden. Ein
größerer Hügel aus Stein mit einem Steilhang, ein paar Wälder, ein Fluss und
einige verseuchte Gegenden aus den Archaischen Perioden mitsamt der
mutierten Flora und Fauna. Schließlich gab ich mir einen Ruck und betrat das
kleine an die Felswand gelehnte Betonbauwerk, ich war es sowohl mir als auch
Arkhas schuldig. Gäbe ich jetzt auf, hätte ich sowohl ihn verraten als auch
meine Tat unnütz werden lassen. Ich hatte für das eingestanden, woran ich
glaubte. Es war schief gegangen, aber wenn man hinfiel, musste man wieder
aufstehen. Ich hatte nicht vor, hier unterzugehen oder aufzugeben, ich würde
mich bis zum Ende durchbeißen und mich rehabilitieren. Leuchtzellen
erstrahlten und gaben den Blick auf eine rudimentäre KI frei. Leise summend
senkte sich eine Haube herab, die verbindenden Kabel verschwanden im
Rechner. Ein kurzer ziehender Schmerz und sie hob sich wieder. In Augenhöhe
erhellte sich ein Display.
<<Individualdaten gescannt und gespeichert. Bitte nun den vocalen
Aktivierungscode.>>
Unwillkürlich schluckte ich, jetzt gab es kein Zurück mehr. Was für ein
Blödsinn denke ich hier eigentlich, es gab schon keines mehr, als ich
verhaftet wurde. Aber zu dem Zeitpunkt…
„Aktivierungscode Alpha Epsilon Drei Acht Zweineunzig, Berechtigung Stufe
Rot. Start der Grundfunktionen einleiten.“
Das Display erschien wieder.
<<... Start der neuronalen Vernetzung ...>>
<<... Aufbau der inerten Verbindungen ...>>
<<... Initialisierung der unterstützenden Subroutinen ...>>
Eine angenehme männliche Stimme erklang.
“Seid gegrüßt, Commander! Basisroutinen werden gestartet, Zentral-KI online,
warte auf erste Befehle. Wie darf ich sie nennen und welchen Namen haben sie
für mich?“ |
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