Land in Schatten

Der Captain ließ seinen Negator vorsichtig ausschreiten. Seit gut einer halben Woche befand er sich meinem Kontingent im Bereich des ehemaligen Imperiums. Nachdem die Schattenhand über die Ländereien der Häuser hinweggefegt war und Mural Dyrinn besetzt hatte, legte sich das Chaos kaum, das überall herrschte. Dies war die Chance der Clans, sich Gebiete anzueignen, die bisher unter dem Schutz des Imperiums gestanden hatten. Die Schattenhand hatte unter Garantie genug Arbeit, um den organisatorischen Aufwand der Restrukturierung zu bewältigen. Und wenn sie hier erstmal Fuß gefasst hatten, wäre es auch nicht mehr möglich, sie von hier zu vertreiben. Mehrere Clans und Basiskommandeure hatten sich locker zusammengeschlossen und ein Kontingent an Negatorgruppen losgeschickt, die Gegebenheiten auszukundschaften. Nun war es Zeit, die Informationen zu sammeln und zurückzukehren. Treffpunkt war ein kleiner Wald südlich des Levantenmeeres, an der Grenze zum ehemalig siverianischen Hoheitsgebiet. Von hier aus waren sie vor drei Tagen aufgebrochen, hier sollten sie sich wieder treffen. Leise bewegte er sich zwischen den Stämmen und kam in die Nähe der Lichtung. Schnell ließ  er den Droiden in den Standbymodus gehen, ließ die Panzerung aber aktiviert. Danach aktivierte er den Sender mit minimaler Reichweite und stellte sicher, dass er nur etwa dreihundert Meter weit geortet werden konnte. Nebenbei registrierte er, dass schon fast alle anderen Mitstreiter angekommen waren. Mit langsamen Schritten näherte er sich dem Tarnzelt, das auf einer Lichtung aufgebaut worden war. Aus der Luft schien diese Lichtung kompett leer.
„Offizier anwesend.“
Ringsum nahmen die Piloten Haltung an, entspannten sich aber nach einem Abwinken und nahmen wieder ihre Tätigkeiten auf. Den Eindruck geschäftiger Ruhe genießend, drehte sich der Captain zu einem seiner Ordonanzen. Hier konnte ein ganz neues Kapitel der Clans aufgeschlagen werden, wenn sie es richtig anstellten. Die Schattenhand würde in ihrem derzeitig geschwächten Zustand nichts gegen die geballte Macht des Bundes ausrichten können und musste dieses Land an sie abtreten. Fast war er schon ein wenig stolz. Im Konflikt zwischen den Imperiumstreuen und den Schattenhandanhängern hatten sie sich neutral verhalten, um dann im Moment des Sieges einer Seite sich ein großes Stück des Kuchens zu sichern. Manche würden es als opportun und schmarotzerhaft bezeichnen, er hielt es für einen genialen Schachzug.
„Wie ist die Lage?“
„Die bisherigen Verluste belaufen sich auf fünfzehn Droiden, jedes Mal Totalschaden. Aber alle verlangten Informationen konnten vorher noch gesammelt und an uns gesendet werden. Das Land ist leer, Sir. Die militärischen und zivilen Strukturen können jederzeit okkupiert werden. Die Schattenhand hat wohl noch genug mit Mural Dyrinn und vereinzelten Rebellennestern zu tun. Oder sie jagen die Flüchtlinge.“
„Das ist gut. Vervielfältigen sie alle Daten und laden sie sie in die verbliebenen Negatoren. Sollte es zu weiteren Ausfällen kommen, kann nichts verloren gehen. Packen sie dann alles zusammen, wir machen uns auf den Rückweg.“
Ein Lächeln glitt über das Gesicht des Piloten. Er hatte sich hier nicht wohl gefühlt, irgendwas stimmte nicht. Schnell zurück in die Clanlands war plötzlich etwas sehr Erstrebenswertes in seinen Augen, aber das wagte er nicht laut auszusprechen. Diese einmalige Chance hatte einfach genutzt werden müssen. Innerhalb einer Stunde war alles verpackt, nur das Gestänge mit der Spezialplane stand noch und würde zurückgelassen werden. Alle Datenpakete waren verteilt und die Mikro-KIs der Droiden mit Sonderschaltungen versehen, dass im Falle eines Verlustes oder Kampfes sofort alles mehrfach gelöscht werden sollte, um Rückschlüsse auf ihre Mission zu verhindern.

Plötzlich kam es zu Unruhen bei den Droiden, ein Alarmton erklang und dann krachte es ohrenbetäubend über ihm. Eine Art Blitz schlug in die Lichtung ein und er fühlte es durch seinen ganzen Körper hindurch kribbeln, als wenn er in einem Nest aus Ameisen lag.
„PVG-beschuß von der 1:16:7. Alle Negatoren sind ausgefallen.“
Und die Panik brach aus. Schnell raffte er sich auf und sah aus den Augenwinkeln einen Negator umkippen und auf ein paar Piloten fallen. Fehlfunktionen schon aktivierter Droiden ließen Laserstrahlen durch die Bäume geistern. Das leere Zelt wurde getroffen und ging in Flammen auf. Vor ihm schoss ein taumelnder Droide einen Baum entzwei, bevor er qualmend zusammensackte. Vielleicht hatte er Glück und sein Negator war noch funktionsfähig. Mit aller Macht klammerte er sich an diesen Gedanken und wagte nicht, über die Konsequenzen nachzudenken, wenn es nicht so wäre. Überall um ihn herum tauchten Droiden auf, die Chamäleonpanzerung versagte ihren Dienst ohne die Elektronik. Die Reaktoren waren mit Notfallautomatiken ausgestattet, die selbst in so einem Augenblick reagierten. Das Blut rauschte in seinen Ohren, als er auf seiner Flucht gegen einen Baum prallte und umfiel. Schnell rappelte er sich wieder auf und bewegte zuerst auf allen Vieren und dann rennend Richtung Waldrand. Neben Ihm sah er andere Piloten seiner Gruppe rennen und stolpern. Endlich angekommen, entdeckte er das Wrack seines Negators, schmorend und vor sich hin knisternd. Das war nicht das Werk einer PVG-entladung, das war Waffenfeuer. Kaum hatte er gedanklich diesen Schluss gezogen, flimmerte vor ihm die Luft und eine mehrere Reihen tiefe Linie aus Negatoren erschien, alle mit dem Wappen der Schattenhand. Am Horizont erkannte er herankommende Dexon.
<<Aus, alles ist aus!>>
Dieser Gedanke ließ ihn nicht mehr los und er sackte in sich zusammen. Sie hatten hoch gepokert, aber ein anderer hatte das bessere Blatt gehabt. Mit gesenktem Kopf kniete er im Gras, während neben ihm die anderen flüchtenden Piloten langsam anhielten und sich furchtsam umschauten.

„Was denkt ihr Abschaum euch eigentlich?“ klang eine Frauenstimme aus einem der Droiden.
Er kannte diese Stimme und war er vorher schon entmutigt gewesen, kam ihm langsam die Gewissheit, dass er diesen Tag wohl nicht überleben würde.
„Treibt sie hier zusammen, wie das Vieh, dass sie sind.“ gab die Stimme weitere Anweisungen, vermutlich ging diese Order per Funk an alle Droiden.
Wie in Trance ließ sich der junge Pilot hochzerren und verzog auch keine Miene, als er recht unsanft zu einem Platz ein paar Meter weiter gestoßen wurde. Schnell war ein Zaun aus Lasersperren errichtet, die alles verbrannten, dass mit ihnen in Berührung kam. Pilot um Pilot wurde im Wald eingesammelt und eingepfercht. Ein paar Schüsse aus Disruptorgewehren waren zu hören, er wollte sich aber nicht vorstellen, wieso. Und dann kam sie. Hochgewachsen, in eine eng anliegende Lederkombi gekleidet und eine Arroganz ausstrahlend, dass einem allein durch das Ansehen kalt wurde. Vor dem Eingang der mobilen Gefängniszelle hielt sie an und beobachtete, wie ein paar Kameras in Stellung gebracht wurden. Dann fuhr sie sich einige Male durchs offene, schulterlange schwarze Haar und gab den Technikern letzte Anweisungen.
„Schaltet das ins Clannet, alle sollen es verfolgen können.“
Einer der Techniker gab ihr ein Okay-zeichen.
„Claner.“
Eine Pause folgte, der Pilot konnte aber ihr Gesicht nicht sehen und daher auch nicht raten, wieso sie aufgehört hatte. Der Ton in ihrer Stimme klang aber so, als hätte sie grade etwas sehr abstoßendes und ekliges gesehen.
„Claner, haltet ihr uns wahrlich für SO dumm? Eine schicke Sammlung an Piloten habt ihr uns hier geschickt.“
Mit kritischem Blick überflog sie die Claninsignien an jeder Uniform und verzog die blutrot geschminkten Lippen zu einem Grinsen.
„Wer von euch ist der Oberkommandierende von diesem Haufen?“ fragte sie in die Menge der Gefangenen.
Ein paar Augenblicke passierte nichts, dann stand der Captain auf, aus einer Wunde am Oberarm blutend.
„Das bin dann wohl ich.“
Mit einem Wink von Faeg wurde der Mann zu ihr gezerrt, die Laserschranken bauten sich hinter ihm wieder summend auf. Mit einigen schnellen Bewegungen schickte sie ihn zu Boden, wo er stöhnend lag und sich den verletzten Arm hielt. Langsam ging sie zu seinem Kopf, stellte ihren Fuß darauf und beugte sich dann herab.
„Wir haben euch beobachtet, nachdem der erste Negator in eine unserer Sensorgruppen gerannt ist. Es war amüsant zu sehen, wie ihr die gezielte Ausschaltung der einzelnen Droiden als Zufälle abgetan habt. So  anmaßend und sooo naiv.“
Den Fuß von seinem Kopf nehmend, beugte sie sich noch tiefer und blies dem Captain ins Gesicht.
„Was bildet ihr euch eigentlich ein? Wir sind nicht so weichherzig wie der alte Mann. Nur der Stärkere überlebt.“
Herrisch schleifte sie ihn auf einen freien Platz, ließ ihn aufstehen, trat einige Schritte zurück und machte eine Handbewegung. Die Kameras waren die ganze Zeit mit ihr mitgegangen und zeichneten alles auf. In dem Moment zuckte von einem der Negatoren ein Laserstrahl auf und verdampfte dem Gefangenen den Kopf. Zuckend fiel der Körper ins Gras und blieb schmorend liegen. Entsetzensschreie der Gefangenen klangen auf, einige fingen an zu weinen und andere würgten. Erschöpfung, Verwirrung und der Geruch kochenden Blutes waren einfach zu viel.

„So gehen wir mit Leuten um, die meinen, uns übervorteilen zu wollen. Diese Demonstration war nur, damit ihr wisst, was euch blüht, solltet ihr es noch einmal versuchen, uns unser Land zu stehlen. Die anderen Piloten erhalten einen subdermalen Spengsatz implantiert und werden dem Grundstock unserer .. kostenlosen Arbeitskräfte für besondere Verwendung .. hinzugefügt. Der Sprengsatz wird ausgelöst, wenn sie sich zu weit von bestimmten Impulsgebern entfernen und dann sieht man in etwa so aus wie unser kostbarer Captain hier. Ich bin sicher, die Arbeit in unseren Minen und Fabriken wird ihren Horizont erweitern.“
Mit diesen Worten lächelte sie in die Linsen der Kameras – gewinnend, fröhlich und eine tiefe Genugtuung spürend. Neues Spielzeug.