|
Licht in den
Schatten
Vor 5 Monaten ...
Die in schwarz-weiße Roben gekleidete Gestalt betrat die Basis durch den
kleinen Personaleingang neben den gigantischen Hangartoren. Einigermaßen
überrascht über die Sauberkeit strich er über einige Kanten und Vorsprünge -
kein Staub.
"Also hat Myxin Wort gehalten und kümmert sich um die
Basis."
Die Worte hallten in den Gängen wieder und das Echo verlor sich in der
Ferne. Wohl doch nicht so viel Betrieb wie eben noch angenommen. Aufmerksam
studierte die Gestalt den Plan an der Wand, fuhr mit den Fingern einen Weg
nach zum besseren Einprägen und ging dann zielstrebig zum
nächsten Lift, ließ sich vier Ebenen tiefer tragen, stieg aus, wandte sich nach
rechts, ging einen langen Gang aus festem, grob bearbeitetem Gestein entlang und näherte sich
großen Toren aus Eichenholz. Reich verziert mit Schnitzereien und Intarsien
aus Edelmetallen, boten sie einen außerordentlichen Blickfang in der recht
unscheinbaren Kammer. Karge Sitzbänke aus Holz waren zu beiden Seiten der
Wände aufgereiht und näher tretend konnte er feststellen, dass auch hier kein
Staub zu finden war - die Bänke sahen benutzt aus, das Holz blank poliert
durch die vielen Besucher. Wehmut kam auf, als er der alten Zeiten gedachte,
da er selbst hier auf diesen Bänken gesessen hatte. Dieser Versuchung konnte
er nicht widerstehen. Mit einem leichten Grinsen ließ sich die Gestalt auf
eine der Bänke sinken - vorsichtig bedacht, nichts zu beschädigen oder zu
verändern. Die Arme ausbreitend lehnte er sich zurück und genoss sichtlich
das Platzangebot. Als die Bank ein paar Sekunden aufgrund des mittlerweile
ungewohnten Gewichts protestierend knarrte, versteifte sich die Gestalt und
stand wieder auf, ohne sich abzustützen. Kurz umblickend, kontrollierte er
die weißen Roben und verzog anerkennend seine Mundwinkel - immer noch kein
Anzeichen von Staub. Gemessenen Schrittes ging er auf ein Seitenportal neben
den großen Flügeltüren zu, es war nicht notwendig, sie aus ihrer erhabenen
Ruhe zu reißen. Hindurch tretend kam er in eine riesige Halle, die geradezu
Ehrfurcht, Erhabenheit und Größe ausstrahlte. Dicke Säulen bildeten einen
Mittelgang, zwischen denen sich viele mit Tüchern verhangene Möbelstücke
befanden. Alle paar Meter waren in den Seitenwänden Alkoven tiefster
Finsternis, während sich vor ihm ein einzelner Lichtstrahl durch ein buntes
Mosaikfenster und die saubere Luft den Weg auf den Boden bahnte und einen
marmornen Altar in eine Aureole aus Helligkeit hüllte. Im Schatten dahinter
waren halb sichtbar mehrere große Wandbilder auszumachen und zu beiden
Seiten erstreckten sich größere Abteilungen. Die Gestalt griff nun unter ihre
Roben, holte einen Beutel mit mehreren ca. fünf Zentimeter großen Würfeln heraus und
begann, diese in jeweils zehn Meter Abstand in der alten Kathedrale zu
verteilen. So getan, stellte sich die Gestalt in die Mitte, aktivierte ein Datapad und tippte einige Codesequenzen ein. Leise summend erhoben sich die
Würfel in die Luft und mit einem Zischen spannte sich zwischen den einzelnen
Elementen ein Netz aus grünen Lichtstrahlen. Langsam begannen sie zu
rotieren und die erst scharf gebündelten Linien fächerten sich auf,
bestrichen jede Oberfläche innerhalb des Raumes mehrfach mit
Kegeln gespenstisch strahlender Helligkeit. Gebannt starrte die Figur in den Roben auf das
Display des Pads in seinen Händen und beobachtete den Fortschritt seiner
Aktionen. Mehr und mehr bildete sich eine Art Grundriss oder Bauplan der
Kathedrale ab, die Scanner zeichneten jede Unebenheit auf, katalogisierten
die Bilder und Fresken der Wände, die Verzierung der Säulen und absolut
jedes Detail dieses Bauwerks lag nach einer halben Stunde als digitale
Information vor. Zufrieden verstaute er alles wieder in dem Leinenbeutel und
verließ die Halle. Irritiert blieb er stehen und schaute an sich herunter.
Das Schleifen der Roben auf dem Boden störte, also hob er sie an und schlich
weiter. An der kleinen Seitentür angelangt, dreht er sich nochmals herum und
warf einen letzten Blick in die nun wieder stumme und ungestörte Kathedrale.
"Mögest du Ruhe finden, werte Freundin, wo immer du
auch derzeit verweilen magst. Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass du
eventuell doch noch einmal zurückkehren wirst, Hohepriesterin Kitiara."
Ein verärgertes Fingerschnippen unterdrückend, lauschte die Gestalt
dem Echo seiner Worte nach - er hatte sich doch extra bemüht, zu
flüstern....
<---------->
Vor 2 Monaten ...
Donnernd stampfte der Aspor auf die Basis zu. Ankhman kontrollierte mehrfach
die Anzeigen von Radar und Orter - suchte nach energetischen Anlagen und
größeren Ansammlungen von Metall und Verbundstoffen. Die Basis konnte sich
doch nicht einfach in Luft aufgelöst haben, sie musste hier irgendwo sein,
die Karten zeigten klar die Grundrisse der Oberflächenbauten. Kurz bevor er
aufgeben wollte, sah er unter Sand Stahl blinken. Mit einigen Schaltungen
brachte er sein Gefährt zum stehen, die Beine in Wartestellung einknicken
lassen und den Reaktor auf Standby zu fahren war eine Sache von Sekunden.
Voller Elan sprang er in den Sand und blinzelte in die Sonne - kurz vor
Mittag, er hatte noch genug Zeit. Mit den Händen schob er eine Luke frei und
legte die Hand auf den Öffnungskontakt. Nichts. Kurz untersuchte er den
Mechanismus und stellte fest, dass die Stromversorgung ausgefallen war. Mit
den Schultern zuckend suchte er die Wartungsklappe, zog den Griff der
manuellen Notöffnung hervor, stellte sich breitbeinig darüber und fing an zu
ziehen. Mit lautem Quietschen bewegte sich die Luke in ihren Schienen und
enthüllte einen steil abfallenden Gang unter die Erde. Wenigstens war es
dort kühl. Mit der Hand über die Stirn wischend, streckte er seinen
geschundenen Rücken, wischte sich dann über die Oberschenkel und betrat das
Halbdunkel. Die Leuchtelemente der Decke sprangen blinkend an, scheinbar war
hier doch noch Leben, wie er es erhofft hatte. Zehn Minuten später hatte er
die Quartiere der Piloten erreicht, er war oft genug Gast in dieser Basis
gewesen und kannte sich leidlich aus.
"Ich grüße euch, Piloten. Einige werden mich erkennen,
andere nicht, also stelle ich mich pro forma kurz vor. Ich bin Ankhman,
Kommandeur der Basis Sphinx Prime, gelegen auf der lauschigen Omni 107.
Aspergillus ist mit den neu erschlossenen Clangebieten als Ziel fort, um
dort Aufbauarbeit zu leisten und musste das hochwertige Equipment und seine
besten Piloten zurücklassen gemäß der Konventionen des Imperiums. Da ihr
hier nur noch ein Schattendasein führt, biete ich euch an, zu mir zu kommen,
als Veteranenelite, Ausbilder und Bewohner meiner Basis. Ihr ständet wieder
in Lohn und Brot bei Ragnarök, eure Familien kämen selbstverständlich mit,
mitsamt aller Habe, die ihr benötigt. Entsprechende Transportdroiden sind
schon unterwegs, aber eure Gefährte stehen oben vor den Hangartoren. Zur
Zeit kann ich euch nur Aspor anbieten, aber wenn meine Planungen korrekt
vollendet werden, stehen uns bald die neuen imperialen Solaron zur
Verfügung. Diese Basis wird über kurz oder lang aufhören zu existieren und
dann kann niemand mehr für eure Sicherheit bürgen. Überlegt es euch, ich bin
noch 2 Tage hier, um einige Dinge mit der KI zuregeln."
Ankhman ließ eine Gruppe sehr nachdenklicher Menschen zurück und begab sich
über die Korridore zur Kommandozentrale. Vor der Schaltwand des
KI-Rechnerverbundes blieb er stehen.
"Identifizierung Ankhman 23-4559-Omega-113. Ich
erbitte Zusammenstellung mehrerer Datenkristalle. Einmal eine Auflistung aller
hier lebenden Piloten, Techniker und ihrer Angehöriger und als Zweites die
technischen Spezifikationen der Nanokameras aus alter Trojaproduktion.
Querverweise hierzu in den Unterordnern des Geheimdienstcenters zu finden."
"Anfrage wird bearbeitet .... Personalkristall wird
erstellt und ihnen überstellt, die Informationen über die
Spionagetechnologie verlangen erweiterte Verifizierung durch ehemaligen
Basiskommandanten innerhalb der nächsten Minute, oder Speicherinhalte werden
unwiderruflich formatiert, um Missbrauch vorzubeugen."
Mit so etwas hatte er schon gerechnet. Nickend ging Ankhman zu den
Terminals und schob einen Datenträger ins Lesegerät.
"Verifizierung per Fernbefehl durch ehemaligen
Kommandanten, Sichtung der Videodatei nebst Echtheitssiegel wird erbeten.
Passcode ist Reinecke Fuchs."
"Verifizierung erfolgt, verlangte Daten werden auf
zweiten Datenkristallträger überspielt und anschließend in den Datenbanken
gelöscht. Sonst noch Wünsche?"
"Momentan nicht, danke. Aber bereite schon alles für
einen Umzug der letzten Bewohner vor."
"Verstanden."
Nach zwei Tagen hatten sich ausnahmslos die restlichen Bewohner für
einen Umzug ausgesprochen. Es war schon alles in die Merger verladen worden
und Ankhman stand mit den Offizieren im Hangar.
"Gibt es hier sonst noch etwas, was nicht verkommen
darf oder gerettet werden sollte, wenn wir abziehen, wird die Basis in den
Verschlusszustand versetzt."
"Nunja , da gibt es in den medizinischen Abteilungen
diese Kugel."
"Die fiel mir auch schon auf, aber sie ist einerseits
durch Traktorstrahlen in der Schwebe, andererseits durch diverse Mechanismen
geschützt. Was hat es damit auf sich?"
"Das wissen wir auch nicht, Sir. Aspergillus hat
sie aber gehütet wie einen Schatz, seltsamerweise nahm er sie bei seinem
Aufbruch nicht mit."
"Nun, entweder ist sie nun wertlos oder so soll hier
verbleiben. In beiden Fällen werde ich sie nicht anrühren, auch wenn meine
Neugier mir etwas anderes sagt. Es geht los, beeilt euch."
In die Hände klatschend, begleitete er die letzten Nachzügler vor die Tore
des Hangars und gab der KI die letzten Befehle zum Einleiten des
Verschlusszustandes ... damit war die Basis endgültig aufgegeben worden.
Dann zwei Wochen
später standen elf Würfel vor ihm, jeder fünf mal fünf Zentimeter groß.
Einer für jedes Ratsmitglied, wobei er Illuminatin Suse immer noch dazu
rechnete. Alte Angewohnheiten waren so schwer abzulegen. Jeder war farblich
anders gekennzeichnet .. Bambis war rosa, Kyp war cyan, Hitman orange,
Protector und GSachse waren in Blautönen gehalten, Brainstorm und Eve
teilten sich Rot, Minot hatte hellgrau und Wueste sandfarben, während Giver
beige gefärbt war und Suse's Würfel tiefschwarz glänzte. Zu öffnen waren sie
nur von ihnen, der innere Mechanismus reagierte mit sofortiger
Selbstzerstörung, wenn Stimmabdruck, genetischer Schlüssel und Retinascan
nicht hundertprozentig übereinstimmten. Die enthaltene Technik war zu
wichtig als das man sie in falsche Hände fallen lassen konnte. Sollten die
Mikromaschinen injiziert werden, dann war das Umfeld der Träger jederzeit
durch codierte Frequenzen des UHF-Bandes abrufbar. Die einzigen, die von
ihnen Kenntnis hatten, waren HORUS und bald auch die Ratsmitglieder, da
jeweils ihre eigene Frequenz im Würfel gespeichert war. Sollte ihnen also
etwas zustoßen, sie entführt werden oder sonstwie Überwachung nötig haben,
ließ sich das auf diese Weise viel einfacher und geschickter anstellen.
Stumm zollte Ankhman Aspergillus und den alten Geheimdienstlern Trojas
Respekt. Die Forschungen und Entwicklungen der alten Clans waren immer noch
auf der Höhe, teilweise sogar besser als imperiale Vergleichsprodukte. Aber
wer wusste schon, was Selaris und seine Gai-Sin schon für Ausrüstung
besaßen. Noch heute sollten die Botenperior aufbrechen, um ihre Fracht
auszuliefern ...
<---------->
Ankhman saß am
Mittagstisch, als er ein Jucken auf seiner Brust verspürte. Abwesend kratzte
er sich, nur um etwas unter dem Overall zu fühlen. Irritiert hörte er auf
und merkte, wie dieses etwas sich zu bewegen begann. Die Haare an seinem Körper
richteten sich in Schock auf und panikartig begann er den Klettverschluss
aufzureißen. Eine faustgroße Spinne kroch unter seiner Haut hervor und
überall konnte er spüren, wie Insekten begannen, sich in ihm zu bewegen, um
aus ihm hervorzubrechen, seine Haut zu durchbohren und ihn von innen
aufzufressen. Schreiend brach er zusammen ....... und wachte
schweißgebadet in seinem Bett auf.
"HORUS, gedämmtes Licht!"
Schimmernd erschienen an der Decke Spots aus orangenem Licht, abgeblendet und beruhigend.
"Hattest du schon wieder einen Alptraum, Schatz? Du
solltest dir etwas von den Medikern verschreiben lassen, das ist schon die
vierte Nacht, in der du nicht durchschlafen kannst." knurrte D'arvan neben
ihm in den Laken. Dann drehte er sich auf die andere Seite und schnarchte
leise weiter.
Immer noch steil im Bett sitzend, wischte sich Ankhman über die Augen um die
letzten Bilder des Traumes zu vertreiben. Das war nun schon die sechste
Nacht, in der er durch diverse Alpträume aus dem Schlaf gezwungen wurde, die
ersten beiden Male hatte er nur nicht erwähnt. Es wurde definitiv Zeit für
einen Urlaub, die letzten paar Wochen und Monate waren einfach zu viel
gewesen. Das Studium der Molekularbiologie, die Bauvorhaben in der Basis,
der ständige Konflikt mit der Schattenhand und das drohende Damoklesschwert
der Aliens waren einfach zu viel. Ohne viel Lärm zu verursachen
ließ sich Ankhman aus dem Bett gleiten und tapste ein wenig unsicher zur
großzügig ausgestatteten Hygienezelle. Stöhnend wankte er in die
Hochdruckdusche und ließ sich abwechselnd von allen Seiten mit heißem und kaltem Wasser
massieren und mittels warmer Luftstrahlen trocknen. Wieder einigermaßen klar im
Kopf schlich er zurück ins Bett, löschte das Licht und kuschelte sich an
seinen Partner. Aber die Stunden verstrichen langsam und Ankhman starrte in
die Dunkelheit.
Der nächste Morgen am Frühstückstisch war eher still - nicht wie sonst fand
ein reges Gespräch über die Lage der Basis in Bezug auf die politische
Situation oder die Handelsbeziehungen statt.
"Was ist los, Schnups? So schweigsam habe ich dich selten
erlebt."
"Ich weiß es nicht, D'Arvan - vielleicht brauche
ich einfach nur Urlaub."
"Du solltest dir mal eine Woche Auszeit gönnen, wir kommen auch ganz gut ohne
dich zurecht." Das schalkhafte Lächeln in den Augen seines Gegenübers
zeigte Ankhman die Ernsthaftigkeit der Aussage.
"Vielleicht hast du Recht, derzeit ist alles recht
verfahren." Mit einem Blick auf den Zimmerservo sprach er weiter. "HORUS, bitte schalte einen der noch freien Holo-Tanks
um auf Programm Steynbeycker Delta Drei. Ich beabsichtige, sechs Tage dort
zu verbringen. Triff bitte die entsprechenden Vorbereitungen aufgrund der
allgemeinen Listen. In Notfällen bin ich aber jederzeit erreichbar."
"Verstanden, Sir."
Unruhig stand Ankhman auf und wanderte durch die Zimmerflucht. Seine Lippen
bewegten sich lautlos und seine Finger zählten stumm mit, während er im Kopf
eine Liste erstellte. Mit einem Blick auf die Waffensammlung an der Wand
blieb er abrupt stehen und drehte sich schwungvoll zum Tisch.
"Und vergiss meinen Lemming nicht, der braucht täglich
seine Streicheleinheiten."
"Jaja! Du bist ja immer noch hier."
"Und so verlasse ich die Realität, um 6 Tage
lang in einer fiktiven Holographiewelt mal an etwas anderes zu denken. Ist
das nicht ironisch? Grimme Taten erwacht. Auf zu Verderben, auf zu Zorn und
zu blutig Morden!" Ein fiktives Schwert in die Luft haltend zitierte er aus den alten
Texten und schaute abwartend zum Tisch.
"Geh du nur, ich hatte in der letzten Zeit so
wenig zu tun, dass mir das Mehr an Arbeit in deiner Abwesenheit ganz gut tun
wird. Müßiggang ist nicht mein Metier und Phantasiewelten in Holo-Tanks auch
nicht."
Mit einem Grinsen widmete sich D'Arvan wieder den Frühstückseiern,
während er Ankhman beim Packen zusah. Eine Stunde später stand der mit 2
großen Jutesäcken beladen in der Tür, verabschiedete sich mit einem Kuss,
nahm den Kampfstab und die Zwillingskatana von der Wand und ging Richtung
Tür.
<---------->
"Sir, laufender Angriff auf uns!"
Irritiert starrte Ankhman auf sein Armbandkom und blinzelte sein Gegenüber
an. Konstrukteur Klaus Bareiss schob ihn aber schon in Richtung Lift, der
ältere Freund hatte wieder einmal schneller gedacht und gehandelt als sein
Kommandant.
"Jaja - ist ja schon gut, ich gehe ja schon. Aber wir
werden uns so bald als möglich über die nötigen Erweiterungen des Basis
unterhalten, ich hätte da noch neue Anforderungen an die Minen und das
Missionscenter."
"Junge, geh endlich oder willst du wem auch immer
Schott und Tor öffnen?"
Der väterliche Freund wusste stets, welchen Ton er anschlagen musste, um
seinen Kommandanten zu provozieren und so anzuspornen. Er war aber auch
einer der Wenigen, die sich das erlauben durften. Schnaufend rannte Ankhman
durch die Gänge und verlangte kurz darauf im Verteidigungscenter um
Aufklärung der Sachlage. Achtzig Solaron kamen auf sie zu, Herkunft war der
Skasim Warhead0.
"Was wollen die bei uns? Wurden unbemannte
Probeangriffe gefahren, ohne das ich etwas davon weiß?"
"Nein Sir, würden wir uns nie erlauben. Scheinbar
scannen sie die stärksten Basen in jedem Quadranten ab, um zu testen, wie
schnell und mit welchen Mitteln sie vorgehen müssen."
"Verfluchte Scheiße - unsere anderen Kampfkontingente
sind unterwegs und kommen erst in Tagen wieder heim. Wie weit sind die neuen
Türme schon installiert?"
"Helixphalanx steht, die schweren Plasmawerfer werden
stetig erweitert und die alten werden entfernt, um den nötigen Platz zu
schaffen. Ich denke, es sollte machbar sein mit den vorhandenen Droiden."
"Ach, sollte es? SEIT WANN DENKEN SIE DENN?"
Der Techniker zuckte zusammen, als Ankhman ihn anbrüllte. Abrupt verstummte
jedes Gespräch in dem Raum und alle Blicke richteten sich auf die Situation
am zentralen Holotisch. Ankhman schloss kurz seine Augen, atmete tief durch
und entschuldigte sich räuspernd.
"Bitte verzeihen sie mir, ich habe mich gehen lassen.
Nun aber zu unserem Problem. Wie man aus den schon bekannten Gefechten sehen
kann, kämpfen die Skasim ohne Rücksicht auf Verluste."
Während er sprach, nahm er die vorhandene Karte vom Tisch und verstaute sie im
Kartentank. Dann tippte er einige Befehle in die Konsole vor ihm und ließ
drei verschiedene Aufnahmen über dem Projektionsgitter ablaufen, die von anderen Kommandanten zur
Verfügung gestellt worden waren. Ein weiterer Tastendruck schaltete ihn in
das basisinterne Kommunikationsnetz und verband ihn mit den Pilotenunterkünften.
"Die Skasim sind schwere Gegner. Da sie scheinbar
einer Hochschwerkraftwelt entstammen, tragen sie hier auf der Erde schwer
gepanzerte Rüstungen und bewegen sich trotzdem wie der Blitz. Sie sehen uns
als mindere Spezies an und machen daher weder Gefangene noch reagieren sie auf
Verhandlungsangebote. Für sie sind wir Ungeziefer. Wie sie hier sehen
können, ist unterstützendes Feuer durch PVG oder Raketen vor den
Kampfhandlungen von extremem Vorteil. Diese Einspielungen zeigen ihnen die
Wucht, mit der der Feind bisher gegen Clanbasen und deren Androiden vorging.
Unter keinen Umständen dürft ihr sie unterschätzen oder sich aufgrund
unserer Solaron in Sicherheit wiegen. Die Skasim sind ebenfalls im Besitz
dieser Kolosse und viele ihrer Geheimnisse kennen wir noch nicht einmal. Alle
Piloten der Gruppen Rot, Blau, Grün und Violett melden sich in fünfzehn
Minuten zum Briefing im großen Konferenzsaal des Verteidgungscenters.
Danke." An einen der Techniker gewand fuhr er fort. "Wie sieht es mit SUNFIRE aus, ist dessen Inspektion
schon abgeschlossen?"
"Tut mir leid, Sir, aber der Reaktor ist
derzeit auf dem Prüfstand und bis zum Eintreffen können wir ihn nicht wieder
zusammensetzen."
"Nun gut, dann machen sie mir einen normalen Solaron startklar. Und
SUNFIRE wird auch schnellstmöglich wieder in Dienst genommen."
Alles war gesagt
worden und die Nervosität stieg mit jeder Minute des Wartens. Der Einsatz
der basiseigenen PVG war nicht möglich, da das dafür benötigte Uran vor
einem Tag in den Weltraum verschwunden war, zusammen mit zehn Zengal, die
Selenium erbeuten sollten. Damit war es unmöglich geworden, die Wucht des
Angriffes zu mindern und keiner der Verbündeten und Freunde war erreichbar. Jetzt kam es ganz auf das Kampfgeschick und das Schlachtenglück an,
ansonsten würde dies ein schwarzer Tag in den Basisanalen werden. Jeweils
versetzt in zwei Reihen standen die achtzig Solaron in einiger Entfernung
vor den Toren des Hangarliftes, bereit, den ersten Ansturm aufzufangen. Und dann
kamen sie. Wie Drachen grau-mystischer Vorzeit brachen sie durch die Bäume, mit roten
Panzerungen und feuerbereiten glühenden Mündungen. Den Solaron hätte man
Dragoon nennen sollen, kam Ankhman in den Sinn. Der Name wäre passender
gewesen, sowohl was das Aussehen als auch die Wirkung der Hauptwaffen
anging. Ohne anzuhalten rannten die gegnerischen Maschinen auf sie zu. Noch
außerhalb der effektiven Feuerreichweite blitzte es bei einem der
anstürmenden Stahlgiganten auf. Ungläubig starrte Ankhman auf die fliegende
grüne Energiekugel, nur um zu sehen, wie bei einem seiner Solaron das Cockpit
mit der Disruptorkugel in einen explodierende Feuerball verwandelt wurde und
ein vielkehliger Entsetzensschrei hallte durch den Gefechtsfunk.
"Sie haben es scheinbar geschafft, ihre Waffen zu
modifizieren. Schwärmt aus und greift an - wenn wir hier warten, ist es für
diesen Abschaum wie Tontaubenschießen, ohne einmal in unsere Reichweite zu
kommen."
Mit höchsten Werten beschleunigend spritzten die Maschinen auseinander und
verteilten sich in lockerer Linie, um den Gegnern entgegen zu rennen.
Schnell wurde klar, dass sich die Skasim gut vorbereitet hatten. Gezielt
legten sie Brände in den umliegenden Baumgruppen und immer wieder drangen
kleinere Gruppen schnell vor, zerstörten einen Solaron und zogen sich dann
zurück, Rauch, Hitze und Verwirrung perfekt ausnutzend. Ankhman fluchte
lauthals, als die uralte Eiche neben den Hangartoren eine volle Breitseite
aus den überschweren Plasmawerfern auffing und mit einem Funkenregen in
Asche aufging. Als Kommandant stand er in permanenter Verbindung mit dem
Verteidigungscenter wie die anderen Piloten auch und bezog so die neuesten
Berechnungen. Dann wandte er sich per Schaltung an alle seine Piloten.
"Die Verluste klettern höher, wenn wir sie jetzt nicht
bald stoppen können, müssen wir uns zurückziehen und ihnen das Feld
überlassen. Also hängt euch rein!"
Als hätten die Angreifer nur darauf gewartet, dass er sich zu
erkennen gab, gingen sie nun gezielt vor. Von allen Seiten kamen
die Skasim in kleinen Fünfertrupps auf ihn zu, zerschossen jeden, der sich
ihnen in den Weg stellte und rückten unerbittlich näher. Zehn, zwölf
Ausfälle listeten sich in seinem Display auf, dann waren sie bei ihm. Von
allen Seiten wurde Ankhman unter Beschuss genommen. Diese feigen Schweine,
dachte er, gezielte Ausschaltung der Kommandanten und Demoralisierung der
Truppen. Kein Wunder, dass sie so erfolgreich waren, sie gingen ohne
Rücksicht auf Verluste vor und scheuten nicht den rigorosen Einsatz von
allen möglichen Strategien und Manövern. Wie ein Mensch, der Ungeziefer
bekämpft. Mit seiner gesamten Konzentration wich Ankhman den Schüssen aus,
ließ seinen Solaron taumeln und unvorhersehbare Richtungswechsel vollführen,
aber er war fast eingekreist und hatte nicht die geringste Chance. Das hier war nicht
sein SUNFIRE, das war ein Standartmodell und hatte nicht seine persönlichen
Modifikationen. Der Solaron bekam
weitere Schläge ab und immer mehr Warnmeldungen wurden eingeblendet. Plötzlich
tauchte zusammen mit einem Heulen eine rote Warnung direkt in seinem HUD auf - kritischer
Reaktortreffer - Notabschaltung eingeleitet, aber Durchführung ungewiss. Ohne lange nachzudenken, hieb Ankhman auf den versenkten Knopf an der Sitzseite. Dann kam der Ruck und mit
dem Absprengen des Kanzeldaches wurde seine Kapsel aus der zusammensackenden
Maschine geschossen. Höher und höher stieg sie und wurde mittels
steuerbarer Düsen automatisch aus dem Kampfgebiet gelenkt. Weit kam sie aber nicht, als
wie mit einem titanischen Hammer der Kapsel ein Schlag versetzt wurde und Ankhman der Schweiß ausbrach. Diese Säue wussten
nur zu genau, wer da flog und wen sie unter Beschuss nahmen. Der Erfolg kam auch prompt und
alle Monitore erloschen, stotternd gefolgt von den
Treibsätzen. Das Notsystem reagierte und die Fallschirme entfalteten
sich, um eine halbwegs sanfte Landung zu garantieren. Rings um ihn konnte er
hören, dass das Feuer langsam eingestellt wurde, leider war durch die
verrußten Glasitscheiben nichts zu erkennen. Dann ein Ruck und die Kapsel
lag still, das Knistern und Knirschen von überbeanspruchtem Metall war
das einzige Geräusch. Etwas ging um ihn herum vor und er wusste nicht was es
war. Kein Kampfzeichen erreichte ihn und so schälte er sich aus den Gurten,
während er nach dem Öffnungsmechanismus tastete. Die Klappe fiel aus den Halterungen
und Ankhman zog sich heraus, landete auf den Füßen und starrte auf die
glimmenden Mündungen von schweren Plasmawerfern. Seine Landekapsel war
inmitten der Skasim heruntergekommen und die Piloten wagten es nicht,
das Feuergefecht fortzusetzen, aus Angst, ihren Kommandanten dabei zu
grillen. Den Aliens schien das eine perverse Art Freude zu bereiten, denn
sie standen in großem Halbkreis um die Szene. Ein einzelner Mensch neben
einer Rettungskapsel, umringt von 80 schwersten Kampfmaschinen, hilflos vor
den Mündungen der schweren Geschütze stehend. Ankhman schaute sich
panisch um und sah in fünfzig Metern Entfernung etwas, was ihn auf eine
irrwitzige Idee brachte. Wenn er jetzt schnell genug sein würde und den
Schüssen aller Geschütze ausweichen könnte und wenn er ... genauso gut wäre
er der Mann aus Stahl und könnte fliegen, aus seinem Mund käme Feuer und
sein Arsch verschießt Blitze. Mit dem Mut der Verzweiflung wandte er sich um
und sprintete los, das Knistern des austretenden Stroms ultraheißen Plasmas im Rücken erwartend. Was
dann kam, mochte er kaum glauben. Der einzelne Solaron stapfte ihm
hinterher, der Pilot schien es nicht für nötig zu halten, ihn mit den
Geschützen zu richten, er wollte ihn simpel und effektiv zerstampfen. So
oder so hatte er keine Chance, seinem Schicksal zu entgehen, außer ... und
dann hatte er seine anvisierte Stelle erreicht. Hoffentlich wurde in der
Basis entsprechend reagiert und man hatte erkannt, was er vorhatte. Einen
letzten verzweifelten Blick schickte er in Richtung der Felswand und suchte
in der Ferne die Panoramagalerie, wo er jetzt einen bestimmten Zuschauer
wusste. Abrupt blieb er stehen,
drehte sich seinem Untergang entgegen und schaute hoch, nur um zu sehen, wie
sich einer der riesigen Füße auf ihn senkte. Instinktiv riss er seine Arme
über hoch, wohl wissend, dass das gegen den Fuß eines 260 Tonnen schweren
Androiden ein erbärmlicher Schutz war ...
Einmal kurz scharrte der Koloss mit dem Fuß, als sei er in etwas hinein
getreten, und ging dann ein paar Schritte zurück. In diesem Moment brach ein
Gottesgericht über die Angreifer. Da sie sich auf die Hinrichtung Ankhman's
konzentrierten, hatten sie scheinbar nicht mit der blinden Wut gerechnet,
mit der die verbliebenen 67 Maschinen über sie herfielen. Alle standen in
Reichweite ihrer Waffen und der Primärschlag schlug gebündelt durch die
Panzerungen. Schon die erste Salve fegte 25 der Solaron hinweg, schmolz ihre
Panzerung, ließ interne Munitionsbehälter explodieren und machte durch
kritische interne Treffer prachtvolle Droiden zu purem Schrott. Der erste
Angriff der Außerirdischen hatte kaum mehr als verbrannte Erde um die Basis
hinterlassen und von Seiten der Piloten wurde keine Rücksicht mehr genommen.
Welle auf Welle aus Hitze, gebündeltem Licht und molekülauflösender
Disruptorstrahlung schlug den Angreifern entgegen, wie Berserker der
nordischen Mythologie warfen sie sich dem Gegner entgegen, die eigenen
Schäden und "Wunden" ignorierend. Das energetische Chaos machte eine direkte
Ortung unmöglich und so manövrierten die Verteidiger nach Sicht. Alles, was
vor ihnen stand und feindlich aussah, wurde unter Feuer genommen. Zwar
wurden durch diese Praxis eigene Kameraden in Mitleidenschaft gezogen, aber
die rote Wut des Angriffes ließ keine rationalen Gedanken zu. Gegner um
Gegner fiel den Schüssen zum Opfer, die weniger durch ihre Zielgenauigkeit
Opfer fanden denn durch die pure Anzahl und Wildheit. Nur wenige Minuten
später zierten die rauchenden Überreste der Angreifer die verbrannte Erde,
während die Verteidiger langsam aus ihrem Rausch erwachten und nicht
wussten, wie sie nun reagieren sollten .. schließlich war ihr
Basiskommandant vor ihren Augen zertreten worden. Unsicher wandten sie sich
um, gingen Richtung Basis und starrten ungläubig auf die Gestalt in der Nähe
der Hangartore, die an den Überresten eines einstmals mächtigen Baumes
lehnte. Der Mann winkte zu den Pilotenkanzeln hoch, zeigte dann Richtung
Hangar und ging gemessenen Schrittes dorthin. Unschlüssig folgten die
Piloten und stationierten ihre Droiden in den Versorgungsboxen. Kaum
ausgestiegen, versammelten sie sich um den Mann und redeten wild
durcheinander auf ihn ein. Mit erhobenen Händen verschaffte sich Ankhman
Gehör.
"Es reicht, danke. Ich kann eure Verwirrung verstehen,
aber die Erklärung ist ziemlich simpel. Als ich zu Fuß flüchten musste,
entdeckte ich an meinem Zielpunkt einer der Notschleusen der Bunkergänge,
die sich ja bekanntlich über den gesamten Vorplatz der Basis ziehen. Die
Solaron sind aber zu groß, um von den Gruben, Gräben und Fallen
beeinträchtigt zu werden und so kommen diese Vorrichtungen in solchen
Gefechten nicht zum Einsatz. Ich bin also zu der mir am nächsten gelegenen
Luke gerannt und konnte nur hoffen, dass man im Gefechtsleitstand meine
Absichten erraten würde. Das Timing war zwar ziemlich knapp, aber es klappte
dennoch, die Schleuse öffnete sich unter mir, ich fiel hindurch und während
der Fuß auf dem Boden stand, schloss sie sich wieder. Hätten die Skasim
genauer hingeschaut, hätten sie bemerkt, dass da keine Überreste zu sehen
waren. Aber ihr habt ihnen glücklicherweise kaum Zeit für Untersuchungen
gegeben und ich bin beeindruckt von eurer Kampfeswut. Es tut mir leid, dass
ich euch nicht sofort in Kenntnis setzen konnte, aber der Sturz hat mich für
einen Moment ausgeschaltet, vier Meter Höhenunterschied sind für einen
Menschen im freien Fall nicht grade gesund. Ich kann nur hoffen, dass noch
genug Kraft in euch steckt, denn jetzt schlagen wir zurück"
"KI, erstelle Schnellstartcheckliste und fordere sie
bei den anderen Piloten für mich an."
Kühlsystem und Notfallkühlung . . . . OK
Reaktorabschirmung . . . . OK
Stützmasseneinspritzung . . . . OK
Magnetfeldspulen des Reaktors . . . . OK
Energiefeldleiter zu den Waffenphalanxen . . . . OK
Abstrahlgleichrichter . . . . OK
Torsoausrichtung . . . . OK
Gyroskop . . . . OK
Beinaktivatoren . . . . OK
KI-Selbstkontrolle . . . . OK
Zielcomputer . . . . OK
ATSPW . . . . OK
Sphärenradar und Energieorter . . . . OK
Nickend bestätigte Ankhman den Schnellcheck seines Solaron und sah bei den
anderen 65 Droiden die grünen Zeichen aufleuchten. Sein Blick wanderte über
das HUD seines Cockpits und aktivierte durch ein Blinzeln den Funk.
"Unser Ziel liegt
bei den Koordinaten 0:8:14. Laut den Berichten anderer Kommandanten hat
es dort schon einige Kämpfe gegeben, aber sie sind alle zurückgeschlagen
worden. Außerdem wurden die entsprechenden Basen mit überstarken
Kontingenten dem Erdboden gleich gemacht, seht euch also vor, sollte es zu
Kampfhandlungen kommen. Ich will keine Märtyrer, sondern überlegt handelnde
Krieger. Kontrolliert nochmals, ob eure Feuerleitkreise korrekt konfiguriert
sind. Wir machen es ihnen nach und kopieren ihren Trick, mit dem sie uns
vorhin beinahe in Grund und Boden gestampft hätten. Kurz vor Erreichen des Zieles werden die letzten
Kundschafterberichte übermittelt, wenn der Zeitplan korrekt erstellt wurde.
Also, Leute - lasst uns ET in den Arsch treten!!"
Voller Konzentration ließ Ankhman noch einmal seinen Blick über alle
Kontrolldisplays gleiten. Grünwerte wohin er auch blickte und so machte er
es sich im Pilotensessel bequem. Sein SUNFIRE schwankte leicht, als er die
hunderte Tonnen schwere Maschine in Bewegung setzte und Richtung Südosten
laufen ließ.
Unruhig kontrollierte er wieder und wieder alle Anzeigen. Nichts durfte
schief gehen oder ihr aller Leben war den Dreck nicht wert, über den sie
ihre Androiden lenkten. Die pünktlich eingetroffenen Berichte zeigten die
ersten Niederlagen der Invasoren, die marodierenden Kontingente waren mühsam
zerrieben worden unter immensem Aufwand an Material und Menschen. Aus der
Ferne war das große Basisschiff als schwarzer Berg mit absurden Formen zu
erkennen. Das Imperium hatte zwar ähnlich große Zerstörer, nur konnten die
nicht landen und waren auf Manöver im luftleeren Raum beschränkt. Es war
kurz nach Mittag, als sie sich auf Sichtweite genähert hatten. Ein Blick im
HUD ließ eine Ausschnittsvergrößerung im Sichtfeld erscheinen und Ankhman
verschaffte sich einen letzten Überblick. Das Schlachtfeld war eben und bot
keinerlei Deckung, die Abstrahlgase der Felddüsen während der Landung hatten
großflächig alles verwüstet und eine nahezu eben Fläche ohne Vegetation
geschaffen.
Langsam kamen sie näher, die 80 letzten Solaron der Skasim standen schon
kampfbereit vor dem riesigen Schiff. In gestaffelten Zweierreihen zogen
sie einen Kordon aus rotem Stahl und glimmenden Abstrahlmündungen quer vor
den Toren. Die eigenen Kampfandroiden verlangsamend, ließ sich Ankhman alle
verfügbaren Daten ins HUD übertragen. Das würde hart werden und in Gedanken
spielte er schnell mehrere Angriffszenarien durch. Aber egal wie er
reagieren würde, die Verluste würden immens werden, da die gegnerischen
Maschinen nicht so aussahen, als würden sie sich bewegen. Es blieb ihnen
also nichts anderes übrig als auf sie zuzustürmen und die ersten Treffer
kommentarlos einzustecken. Blieb nur zu hoffen, dass sie das einigermaßen
heil überstehen würden. Ein Seitengriff und ein Untermenü erschien im HUD
vor seinen Augen.
"KI, bitte Auswahl Musik - Spezifikation Kampf Alpha
Eins."
"Verstanden." Und mit den Worten schwangen die
ersten Akkorde von E-Gitarren durch das Cockpit.
Mit leisem *ping* öffnete sich unten links in seinem Blickfeld ein
Videofenster und sein stellvertretender Befehlshaber Al Simmons blickte ihn
fragend an.
"Kommandant, wie sollen wir nun vorgehen?"
"Macht sie platt, rigoros und ohne Rücksicht auf die Maschinen. Achtet nur
darauf, dass ihr nicht selber gegrillt werdet. Was anderes werden wir nicht
machen können, da diese Bestien nicht danach aussehen, als wenn sie den Vorteil
eines Stellungskampfes aufgeben würden. Damit sie sich nicht mehr auf mich
einschießen können, gelten die anfänglichen Befehle das ganze Gefecht, aber
alle Piloten sind angehalten, bei extremen Situationen angemessen zu
handeln. Ich hoffe, niemand hat seinen Verstand beim Einsteigen abgegeben. Und jetzt los, reißt ihnen ihre
gepanzerten Hintern auf."
Lord of battle I pray on bended knee
Conquest by the rising sun I'll wait for thy command
With flame and blood at hand, glory and a broken sword.
Schwere Fokusdisruptoren
spieen grüne Energiekugeln und die schweren Pulslaser überzogen die
angreifenden Androiden mit grellen Blitzen. Noch waren die Angreifer
außerhalb der effektiven Reichweite und der Schaden war nicht zu spüren, nur
die Lichtblitze störten. Voll konzentriert umklammerte Ankhman die
Kontrollen der Hauptwaffen, Sekundär- und Tertiärkreise waren offline, da es
in diesem Kampf kaum zu Nahgefechten kommen würde. So wurde mehr Energie für
die großen Stromfresser wie die gebündelten Magnetfelder der Abstrahlröhren
verfügbar, wodurch Bündelung und Reichweite sich erhöhten. Unwillig grunzend
kniff er seine Augen zusammen. Die automatische Abblendung war zwar
hervorragend, aber die Reflexe der Waffenstrahlen störten trotzdem seine
Wahrnehmung.
"KI, Kampfsicht aktivieren"
Vor ihm veränderte sich der Anblick nun grundlegend. Die Umgebung wurde von
einem olivefarbenen Gitter überdeckt, welches alles mit einem feinmaschigen
Raster nachbildete. Sphärenradar und Energieorter lieferten die Grundlagen
für die Berechnungen. Die Waffenstrahlen wurden nur mehr angedeutet, wer
einen im Visier hatte, bekam eine optische Kennzeichnung. Über die
verschlüsselten Kanäle ließ er die nächsten Befehle verteilen - sollten die
Invasoren zusehen, wie sie damit fertig wurden.
I'm the master of the world I have no fear of man or beast
Born inside the soul of the world
Riding hard breaking bone with steel and stone
Eternal might I was born to wield.
Wild lachend
beschleunigte Ankhman seinen Solaron auf Höchstgeschwindigkeit. SUNFIRE
ruckte hart zur Seite, als er eine Salve in die linke Torsopanzerung bekam.
Diese Bastarde hatten gute Schützen. Er ließ ihn während des Sprints stärker in
den Knien federn, um ein schwierigeres Ziel zu bieten und die ankommenden
Treffer zu verteilen - Punktbeschuss und Panzerungsdurchschläge waren das
Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Plötzlich ein Warnton. Irritiert
schaute er nach Hinweisen auf den Ursprung des Summens, bis er in der
Statistikanzeige die ersten Verlustmeldungen sah. Drei, dann fünf
Totalausfälle und sie waren gerade in Waffenreichweite gekommen. Voller Zorn
presste Ankhman seine Wangenknochen aufeinander, unfähig, irgendetwas zu
sagen. Sie mussten einfach durchhalten, denn jetzt aufzugeben käme einer
Totalvernichtung gleich und was die Skasim dann mit ihnen machen würden, war
mehr als klar. Er hatte sein ihm angedachtes Schicksal von vor vier Stunden
noch klar vor Augen.
Let us drink to the battles we've lived and we've fought
Celebrate the pain and the havoc we have wrought.
Dann kam das
Verhängnis als Wand aus Licht auf sie zu. Mehrere schwere Treffer
schüttelten den Androiden durch und Warnmeldungen erschienen im HUD.
Verzweifelt hantierte Ankhman mit den Notstromschaltungen. Das Gyroskop
hatte einen Panzerungsdurchschlag hinnehmen müssen und die Feldleiter zu den Fokusdisruptoren waren unterbrochen.
"KI, leite die Energie für die Waffen über die
Feldkonduktoren der Sekundärfeuerleitkreise. Übergehe die
Sicherheitsschaltungen wegen der Überschlagmöglichkeiten. Ich brauch jetzt
alles!"
Nickend quittierte er weitere Warnmeldungen und Ausfälle der Hardware - er
hatte sie ja willentlich in Kauf genommen. Sein Ziel war aber auch erreicht,
die primären Waffenkreise zeigten wieder Grünwerte und waren feuerbereit.
Das Gyroskop konnte er durch persönliches Eingreifen stabilisieren, wozu
hatte man denn sonst die imperialen Pilotenschulen durchlaufen. Mehr und
mehr Ausfälle sammelten sich in der Statistik, nun waren es schon 10 und im
Chaos der Energiegewalten waren die Barkensignale der Rettungskapseln nicht
zu orten.
"Simmons, nehmen sie die Hälfte der restlichen Krieger
und gehen sie nach Schema Angriff Alpha Drei vor."
Great heroes charge into the fight
From the north to the south in the black of night
Die Solaron der
Menschen stoben auseinander und teilten sich in zwei Gruppen, die die Linie
der Skasim von oben und unten zusammenschoben. Mittlerweile konnten sie die
ganze Kraft ihrer Hauptgeschütze nutzen und auf der gegnerischen Seite
fielen die ersten Maschinen. Ungestüm rannten die Solaron Ankhmans in die
Masse und verursachten ein Chaos an Lichtblitzen, explodierenden
Energiekugeln und schmelzender Panzerung. Blitzschnell visierte er den
linken Arm eines Widersachers an, löste eine Breitseite aus und sah mit
Befriedigung erst die Panzerung schmelzen und dann die Energiespeicher
explodieren. Wie eine Kettenreaktion breitete sich die Zerstörung durch den
ganzen Droiden aus und mit einem Flackern in der Kampfdarstellung wurde das
Cockpit seines Gegenübers als Gluthölle gekennzeichnet. Grimmig lachend
ließ er SUNFIRE absichtlich zur Seite taumeln und fing ihn nach ein paar
Metern wieder ab, um einer Salve Disruptorkugeln zu entgehen. Zufrieden
registrierte er die Einschläge in den feindlichen Linien, jetzt beschossen
sie sich also schon gegenseitig.
Fierce is my blade fierce is my hate
Born to die in battle I laugh at my fate.
"Simmons - machen sie
Meldung. Wie hoch sind die Verluste?"
"Sie steigen noch, Sir. Bisher haben wir 30 Totalausfälle, aber keiner
unserer Solaron ist unbeschädigt. Teilweise werden sie nur noch durch die
Endostrukturen zusammengehalten."
Bei diesen Worten kippte der letzte der Skasimdroiden rauchend zur Seite,
kleine Explosionen in seinem Inneren zeugten von weitreichenden
Zerstörungen. Nun endlich nahm sich Ankhman Zeit, die Verluste zu
begutachten. Dreißig Verluste, wie viele davon wieder instand gesetzt werden
konnten, ließ sich auf die Schnelle nicht sagen. Seinen hinkenden Koloss
steuerte er zu den anderen und verschaffte sich einen ersten Überblick. Das
sah nicht sehr rosig aus, aber immerhin hatten sie gesiegt. Dann widmete er
sich dem Radar und suchte nach Notsignalen. Fünfundzwanzig Rettungsbarken
konnte er finden, aber wo waren die anderen fünf? Mit leisen Befehlen ließ
er eine Verbindung zu seiner Basis herstellen.
"HORUS - bitte analysiere diese Schlacht und berechne
alles, des Weiteren suche in den Aufzeichnungen nach dem Verbleib der
fehlenden fünf Kapseln."
"Verstanden, Sir."
The clash of honor calls
I will stand when others fall.
Open magic doors
They will know the power of my sword
"Ankhman an
Transportdexon - das Außenterrain ist gesichert und die Orter zeigen kein
heimkommendes Kontingent der Skasim in einer Stunde Umgebung. Schafft die
Wissenschaftler und Techniker her, damit wir durch die Sicherheitsanlagen kommen und die
größten Schäden an den Maschinen reparieren können mit den Überresten dieser
... Schlacht."
Zehn Minuten später traf zeitgleich zu den Transportern auch der
Bericht der Basis-KI ein. Eine der vermissten Kapseln war in die Explosion
eines durchgehenden Reaktors gekommen, zwei fielen fehlgegangen Schüssen in
der Luft zum Opfer und die letzten zwei waren zu nahe am Schlachtfeld
gelandet und wurden in dem Getümmel zertrampelt. Unfähig, seine Gefühle
komplett zu kontrollieren, schlug Ankhman auf die Kontrollen vor sich.
Verzweifelt blinzelte er die aufkommenden Tränen weg und sein Blick irrte
über die Decke der Pilotenkabine ohne an einem Platz zu verweilen. Dann
atmete er tief durch, wischte sich mit den Händen durch das Gesicht und
schob mit aller Macht seines Geistes die Gefühle beiseite. Jetzt konnte er
es sich einfach nicht leisten, als flennendes Bündel vor seine Piloten zu
treten und Befehle zu geben. Es gab eine Zeit zum Kämpfen und es gab eine
Zeit zum Trauern, doch die war nicht jetzt.
There is blood in my hands there is blood in my eyes
With blood in my voice I scream as you die
Thirsting for vengeance and mounds of the slain
Shaking the forest onto the plain
Vorsichtig lugte
Ankhman um die Ecke in den Hangar des Basisschiffes. Sie mussten sich
beeilen, sonst würden sie hier mit runtergelassenen Hosen erwischt und die
Skasim machten keine Gefangenen - Menschen waren für sie nicht mehr als
lästige niedere Tiere mit anfänglichen Steinwerkzeugen. Seine Spezialisten
hatten die Verteidigungsanlagen deaktiviert, die verteilt in den Wänden den
Hangar des Basisschiffes mit lückenloser Feuerkraft abgedeckt hatten.
"Seht zu, dass ihr alles Verwertbare einsammelt und die
gröbsten Sachen repariert, Feinheiten können in der Basis erledigt werden,
aber ich will hier nichts zurücklassen, was uns diese Außerirdischen
hinterherwerfen könnten."
Schnell waren die schwersten Schäden behoben und er wurde in den Hangar
gerufen.
"Sir, mittels der Überreste der Schlacht konnten wir 7
der zerstörten Solaron zumindest wieder lauffähig bekommen. Aber wir haben
hier etwas gefunden. Dreiundzwanzig dieser Babys sind hier noch in
Versorgungsboxen untergebracht und unbemannt, wir könnten sie als Beute
mitnehmen und gleichen so die Verluste mehr als aus. Aber dann sind hier
noch zwei seltsame Boxen, in denen die Phantomandroiden der Skasim gewartet
werden und sie sind voll!"
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis Ankhman die volle Tragweite dieser
Worte begriff. Sie hatten tatsächlich zwei der Rhacal erbeutet? Das war ..
sensationell!.
"Was stehen sie denn noch hier rum? Machen sie,
verstauen sie alles uns lassen sie uns die Juwelen hier nach Hause bringen
und zwar schnell. Ich habe so das Gefühl, als wenn die Hausherren bald
heimkehren würden und ich bin mir sicher, dass sie nicht erfreut darüber
sein werden, dass wir ihre Tür eingetreten haben. Also .. ZACK ZACK."
In die Hände klatschend ging er Richtung Hangartore.
Fierce is my blade fierce is my hate
Born to die in battle I laugh at my fate.
Now pay in blood when your blood has been spilled
You're never forgiven,
Death is fulfilled !
Voller Bewunderung
strich er über die Panzerung des Droiden. So glatt, so fremd .. fast schien
es, als pulsiere die ganze Maschine vor geheimnisvollem Leben. Verunsichert
schaute er zu den Technikern seines Einsatzkommandos hinüber, die ihn mit
einem Nicken ermutigten weiterzumachen, währen sie ihre Instrumente und
Displays nicht einen Moment aus den Augen ließen. Mit wackligen Knien stieg
Ankhman die provisorische Leiter höher und kam an die offene Luke. Irgendwie
war ihm diese Maschine unheimlich und so kroch er mehr in den Sitz als er
stieg ... und fuhr mit einem Schrei in die Höhe. Das Material, das wie Leder
aussah, hatte sich unter ihm bewegt und kleine Wellen liefen über die
Oberfläche. Die Haare an seinen Unterarmen standen in alle Richtungen ab und
am liebsten wäre sofort wieder ausgestiegen. Sich diese Blöße zu geben vor
den sowieso schon grinsenden Technikern und Wissenschaftlern war ihm dann
doch zuviel und so schloss er kurz seine Augen, schluckte schwer und
ließ sich vorsichtig hinein sinken. Wieder fing das Material unter ihm
an, leicht Wellen zu schlagen, als wenn eine Armee kräftiger Ameisen einen vom
Piknicktuch wegtragen würden - als Vorspeise. Dieser Eindruck hielt zehn
Sekunden an, dann hatte sich die Sitzschale perfekt seiner Anatomie
angepasst. Diese Skasim hatten ihnen einiges voraus, was intelligente
Werkstoffe anging - Respekt. Mit einem Ächzen und der hilfreichen Hand eines
Technikers stand der Kommandant verdächtig schnell wieder auf und stieg
wieder von der Beutemaschine.
"Ich brauche die letzten Klarmeldungen in vier Tagen,
dann kommt hoher Besuch."
The clash of honor calls to stand when others fall.
Gods of war feel the power of my sword
They will know the power of my sword
<---------->
Über die claninternen
Sender liefen grade Berichte über die Chaostage und die ersten Siege der
Skasim. Nichts schien derzeit in geordneten Bahnen zu funktionieren und im
Äther der claninternen und clanexternen Kommunikationsnetze herrschte ein Durcheinander, dass kaum zu
entziffern war. Plötzlich eine Unterbrechung - ein Bericht wurde per
Vorrangsignal in die Empfänger gespeist und ein Standbild zeigte das
Clanwappen und das Siegel des Rates - die Sendung war also autorisiert
worden. Ankhman saß nervös in seinem Ledersessel und schaute aus der
Panoramawand.
"Verdammt, ich kenne mich. Vor Aufregung vergesse ich
wieder die Hälfte, fange an zu stottern oder bringe die unmöglichsten
Versprecher. Ich bin nicht gut im Reden schwingen, du kannst das besser.
Bitte erlöse mich davon, D'Arvan - die Rede hast du schließlich auch
verfasst."
"Ich denke nicht einmal daran." meinte der
Angesprochene "Was du als Rede bezeichnest, sind ein
paar einleitende Worte zu der folgenden Live-Übertragung. Die technischen Details des
Bauwerkes kennst du selbst im Schlaf auswendig, sie entstammen schließlich deinen
eigenen Entwürfen. Solltest du doch einmal aus dem Takt kommen, dann schau
auf das Holodisplay hier direkt neben den Kameramodulen, ich lasse
vorsichtshalber alles mitlaufen. Und schlussendlich - du trägst die
Paradeuniform und ich nur meinen Arbeitsoverall - wie sähe das denn aus."
Ankhman schnaufte resignierend und strich sich ein letztes Mal
prüfend über die Kleidung. D'Arvan ging um den Schreibtisch zu ihm, rückte
den Gürtel zurecht, steckte das Hemd noch einmal fest, zog am unteren Saum
der Jacke und betrachtete das Resultat abschätzend. Alles saß perfekt, keine Falte war zu sehen
und er gab sein Okay. Ankhman drehte sich zum Glasitwand und schaute
nochmals auf die Landschaft unter ihm,
die Verwüstungen des letzten Angriffes waren noch überdeutlich zu sehen.
Nickend gab er das Zeichen und lauschte nervös dem Zählen.
"Drei - Zwei - Eins - Du bist auf Sendung .... "
Ein Zusammenzucken unterdrückend schloss er kurz die Augen, sammelte
sich und drehte sich dann langsam in Richtung der Kameras, die in
Gesichtshöhe in seinem Büro schwebten und sowohl ihn als auch das in
Mitleidenschaft gezogene Gelände hinter ihm dreidimensional und in
perfekten Farben einfingen, das Signal in das interne Clannetz speisten und so im
gesamten Clan verbreiteten.
"Freunde, Clangenossen und Mitstreiter. Am heutigen
Tag spreche ich mit Erlaubnis des Rates zu euch, um die Wiederauferstehung von Ragnarök's
Klerus zu verkünden. Nicht alle von euch werden sich noch der
verschwundenen Hohepriesterin Kitiara entsinnen, die kurz nach der
Neustrukturierung unseres Clans verschwand. Die Kathedrale, der Klerus und
die spirituelle Stütze unserer Gemeinschaft wurden damit ausgeschaltet. Aber
grade jetzt haben wir Führung in moralischen Angelegenheiten und Stütze in
Gewissensfragen nötiger als je zuvor. Und so gebe ich bekannt, dass die alte
Kathedrale hier in den alten Kerngebieten neu erbaut wurde - wohl nach den
althergebrachten Plänen und doch moderner und größer, um den neuen
Ansprüchen gerecht zu werden. Doch seht selbst - HORUS, fahr die Einspielung
ab.
Eine virtuelle Kamera starrte auf riesige hölzerne Portalflügel, die
reich mit metallenen Intarsien und Schnitzereien verziert war. Den einzigen
Höhenvergleich bot eine kleine Tür rechts neben dem geschlossenen Bogen und
ließ eine Größe von über 6 Metern erahnen. Geräuschlos schwangen die Flügel
nach innen und die Kamera folgte ihnen im Fluge, um in einen lang
gestreckten Saal einzutauchen. Säulen strebten in mehreren Reihen
versteinerten Bäumen gleich gen Kuppeldecke. Vom verbreiterten Fuß über
einen schrundigen Stamm hin zu dem sich verbreiternden oberen
Ende glich die Halle einem uralten Wald. Sonnenstrahlen brachen wie
gigantische Lichtschwerter von links durch buntgläserne Fenster von
erstaunlicher Filigranität und Größe. Jedes stellte in stilisierter Form einen
Abschnitt der Entstehungsgeschichte dar - auf der linken sonnendurchfluteten
Seite die des Clans und auf der rechten Seite die des Imperiums. Zwischen
den Säulen waren viele Reihen hölzerner Sitzbänke zu sehen und erst so bekam
man einen Eindruck der Größe. Staub flirrte in den Lichtströmen und
verstärkte die erhabene Ruhe des Ortes noch - machte ihn zu einem Platz
der Andacht und des inneren Friedens. Die Kamera flog weiter auf ein helles
Licht zu, immer wieder in bestimmte Richtungen schwenkend, um besondere
Details der Architektur oder die Glasfenster für die Zuschauer einzufangen.
Vorn änderten die Bänke ihr Aussehen, wurden von simplen Holzbänken
zu gepolsterten Sitzreihen.
Schließlich erweiterte sich die Halle zu einem großen, fast kreisrunden Raum
und die steinernen Baumsäulen wichen solchen aus glänzendem Stahl, perfekt
der Natur nachgebildet. Metallene Wurzeln gruben sich in den Boden und gaben
stählernen Stämmen mit rissiger Borke Halt, nur um in großer Höhe in ein
ausladendes Astwerk aufzufächern und die Decke der Kuppel mit einem
blitzenden Blattwerk zu verdecken. Kleine scharf abgegrenzte Lichtstrahlen
riefen das Gefühl hervor, als würden sich die Baumkronen in unhörbarem Wind
bewegen und so war nicht zu erkennen, ob es das Sonnenlicht war, dass durch
die Blätter blendete oder geschickt platzierte blinkende Strahler in der Kuppel diese
Aufgabe erfüllten. Links und rechts an den Wänden waren zwei Emporen zwischen
den Stämmen mit prunkvollen Sesseln, die genaue Anzahl ließ sich im
Vorüberschwenken der Kamera nicht
bestimmen. In der Mitte des Platzes brach
Licht wie ein Wasserfall senkrecht hinunter, um auf einen Altar aus
Alabaster zu treffen, der es blendend in alle Richtungen strahlte. Im
Hintergrund sah man schattenhaft drei große Samtbanner, links das Wappen
Trojas, rechts die Farben des Imperiums und in der Mitte die
Ragnarökflagge. Das Bild zoomte auf das Clanwappen, beendete damit die
Übertragung und Ankhman erschien wieder auf den Bildschirmen.
"In genau 6 Tagen wird die große Einweihungszeremonie
stattfinden, mit anschließender Messe. Danach wird sie für alle Mitglieder
Ragnarök's und seiner Verbündeten und Freunde Tag und Nacht offen stehen. Ich danke für
ihre Aufmerksamkeit."
D'Arvan fuhr sich hinter der schwebenden Kamera mit dem Daumen über
die Kehle und meinte "Cut - die Sache ist doch gut
gelaufen. Ich verstehe gar nicht, wieso du derart Blut und Wasser geschwitzt
hast - so schwer war das doch gar nicht."
"Ach du hast ja keine Ahnung. Das hier ist etwas
anderes als in der Kampfsporthalle Unterrichtsstunden zu geben. Ich weiß,
dass du als Trainer gut bist, aber das hier ging an alle Basen des
Clans. Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie viele Menschen das jetzt
gesehen haben."
"Schwamm drüber, es wird schon nichts schief
gehen. Aber nun setz dich hin und schreibe die persönlichen Einladungen an
deine Freunde in der Umgebung. Ich habe auch noch eine Menge zu
organisieren."
Bambi begrüßte
Ankhman mit Handschlag und schaute sich neugierig um. Überall wurden die
letzten Vorbereitungen getätigt, um die ankommenden Clanmitglieder und Gäste zu empfangen.
"Nun, die Katze ist aus dem Sack und die Überraschung
nicht gering. Wieso habe ich nie Anzeichen dieses Bauvorhabens bemerkt,
solche Erdbewegungen hätten meine Agenten bemerken müssen und auch
Drohnenfotos haben mich nicht erkennen lassen, wo die Kathedrale steht.
Willst du es mir nicht sagen? Du kennst meine Neugier."
"Und gerade deshalb werde ich meine kleinen
Geheimnisse nicht aufdecken, ich lass dir einerseits den Spaß, sie eventuell
selber zu erkunden und andererseits gebe ich mich gern mal geheimnisvoll. Du
wirst nicht bereuen, heute hier erschienen zu sein. Und nun komm, du bist
der Letzte, die anderen sind alle schon da."
Halb das Ratsmitglied vor sich herschiebend, dirigierte Ankhman ihn
in Richtung Pneumolift. Die Türen schlossen sich mit leisem Zischen und die
Kabine geriet in Bewegung. Bambi versuchte durch den Andruck herauszufinden,
in welche Richtung sie transportiert wurden, aber außer einer waagerechten
Bewegung spürte er nichts. Die Kabine stoppte kurz, nur um sich dann
subjektiv nach aufwärts zu bewegen. Lichtringe liefen von oben nach unten die
Wände entlang und verstärkten den Eindruck des Aufstieges. Pffft - die Tür
öffnete sich und sie betraten eine kleine Vorhalle, vor sich die schweren
Flügel des Portals. Links und rechts waren kleine verglaste Fenster in den
Wänden. Bambi ließ es sich nicht nehmen und blickte hinaus - auf
eine mit Gras bewachsene Ebene mit vereinzelten Baumgruppen, über der sich ein
strahlend blauer Himmel spannte, vereinzelt von kleinen weißen Wolken
betupft. Das sah alles verdächtig perfekt aus und ein Seitenblick brachte
ihm nur das Grinsen von Ankhman ein. Die Stirn leicht in Falten gelegt ging
er achselzuckend hinter dem Kommandanten her und wurde von ihm zu einer der
seitlichen Emporen geführt, wo sich 2 Sitzreihen mit Sesseln befanden. Einer
davon trug sein Wappen, die anderen Ratsmitglieder saßen schon in den
thronartigen Stühlen, sahen sich um und begrüßten ihn mit einem Nicken.
"Hier sind die Sitzplätze für den Rat - es sind
derzeit 13, aber das ist erweiterbar. Gegenüber sind die der speziellen
Gäste. Viel .. hmm .. Spaß. Ich muss mich
noch vorbereiten."
Er verbeugte sich kurz vor den zehn Ratsmitgliedern und verschwand winkend durch die Portaltüren, wo sich nun die ersten
Besucher sammelten und nicht recht wussten, was sie nun tun sollten oder
durften. Er sprach kurz mit einem der Priester, die in weißen Roben am
Eingang standen und jeden Neuankömmling lächelnd begrüßten. In der ersten
Reihe der Polstersessel sah er Grokar sitzen, neben NackterGolfer, Rob, Grobian,
Tommasz, Gonze und
Venom-T. Es gab eine kurze Unruhe, als Suse den Raum betrat und langsam in
einem schwarzen Kleid aus Seide und Spitze zu ihrem Sessel - in der Empore
gegenüber den Ratsmitgliedern - ging. Kurz grüßte sie die dort schon
anwesenden zwei Personen und ließ ihren Blick neugierig durch die Gegend
schweifen. Mit der Zeit
füllten sich die Sitzreihen der Bänke mit Menschen und eine Viertelstunde
später dimmte die zusätzliche Beleuchtung ab und ließ nur die Bahnen des
Sonnenlichtes als natürliche Leuchtquelle übrig. Fast unhörbar sirrten
kleine Kameramodule aus versteckten Plätzen los und verteilten sich im
Hauptraum.
Eine in
schwarz-weiße Roben gewandete Gestalt betrat die erleuchtete Loge vor dem
Altar und
verschränkte die Arme vor seiner Brust. Das Gesicht lag im Dunkel und war nicht zu erkennen,
der Überwurf schirmte ausgezeichnet alles Licht ab - so schien es. Vom
Körperbau her musste es ein Mann sein, so groß und massiv wurden nicht
einmal die bestausgebildeten Droid-pilotinnen. Leise tuschelnd tauschten
sich die Anwesenden über die vermutliche Identität des Priesters aus. Die Roben
waren klar erkennbar die der offiziellen Bruderschaft, aber es war nicht
bekannt, dass nach dem Verschwinden der Hohepriesterin Kitiara ein
Nachfolger bestimmt worden war. Gregorianische Chöre erfüllten die Luft
sanft mit ihren Stimmen und die Staub flirrte leicht im großen Platz der Kuppelmitte. Von Sitz zu Sitz
sprang das Gerücht, Kommandeur Ankhman habe
sich selbst in den Priesterstand erhoben und er sei die verhüllte Person.
Zwei Minuten später wurde es jedoch entkräftet, als eben jener durch die
weit offenen Portale schlüpfte und sich an die hinterste Wand lehnend
umschaute. Einige ihm zugewandte Gesichter begrüßte er mit einem Kopfnicken,
wenn man jedoch das Wort an ihn richten wollte, wehrte er es stumm mit einer
Handbewegung ab und deutete in den Altarraum, wo der Priester nun seine Arme
ausstreckte, als wolle er das Licht, in dem er stand, einfangen und
festhalten. Dann hallte eine tiefe Stimme durch den Saal, durch die perfekt
errechnete Akustik überall zu hören und zu verstehen.
"Die Zeiten sind in
der Tat düster, meine Freunde. Derzeit scheint nichts gesichert zu sein, was
wir kannten und das Imperium hüllt sich in Schweigen. Darum können wir uns
nur auf uns und den Clan verlassen. Die Skasim sind letztendlich gelandet,
als Überbringer von Verzweiflung, Zerstörung, Wahnwitz und Tod. Nun liegt es an
uns, sie zurückzutreiben und in ihre Schranken zu weisen. Es kann nicht
angehen, dass sich Mensch gegen Mensch wendet und Bruder gegen Bruder. Wir
zerfleischen uns selbst im Ringen um Macht und Status. Die Verblendeten
folgen dem Schattenmeister Xopherus und seinem Schoßhund BelialX. Ihre
Obsession ist es zu herrschen durch Unterdrückung und Gewalt - Ratio, Moral
und menschliche Werte sind ihnen mittlerweile fremder als je zuvor. Nur
gemeinsam können wir siegen ob der Dunkelheit unseres eigenen Blutes,
geführt durch Ehre und Wahrhaftigkeit ...."
Stumm saßen die Anwesenden und
lauschten den Worten des Priesters. Innerer Friede entsprang ihnen und manch
einer fühlte sich gestärkt, seine schon fahren gelassene Hoffnung kehrte
zurück. Schmunzelnd lehnte sich Bambi zurück und genoss die Show, stumm der
psychologischen Glanzleistung der Messe Beifall zollend. Eine Stunde später
....
"Bedenket, dass wir im Lichte stehen. Bedenket, dass wir auch immer
danach streben sollten, licht zu sein. Und bedenket, dass es auch Menschen gibt, die
im Schatten wandeln und ihr eigenes Licht mit sich tragen. Unser Clan steht
nicht allein, seine Verbündeten und Freunde stärken uns den Rücken, so wie wir
ihnen zur Seite stehen."
Ein Blick aus unsichtbaren Augen
streifte durch den Saal, die Bewegung des Kopfes ließ erahnen, wohin er
blickte. Dann neigte er kurz seinen Kopf zur Empore der Gäste und Bambi
erkannte nun Ungrimm - klein, bärtig und mit grimmig glitzernden Augen - und Banano
- hoch gewachsen, breitschultrig und mit gewinnendem Lächeln - von PLP im Halbschatten neben Suse, wo sie ihrerseits
den Gruß zurückgaben.
"Viele unserer Freunde und Clankollegen leiden derzeit unter dem großen
Druck, der auf ihnen liegt. Viele verschwinden über Nacht ohne eine Spur
oder ziehen sich offiziell vom aktiven Dienst zurück. Verurteilt sie dafür
nicht sondern helft ihnen, indem ihr ihnen nicht zürnt. Denn was wird ihnen
mehr fehlen - ein Clan, der ihrer mit Stolz gedenkt, ihr Andenken würdigt
und die Flaggen hocherhoben im Sturm des Krieges wehen lässt oder ein
Clan, der Unverständnis zeigt und in Trauer schwach wird wie ein seiner
Wurzeln beraubter Baum?
Und so bitte ich euch, erhebt euch zum Gebet."
Mit diesen Worten wandte sich der
Priester direkt an die versammelten Menschen vor ihm, fast schien es, als
würde er jeden einzelnen aus den Schatten seiner Kapuze mustern.
"Bei den
Geistern der Gerechtigkeit und Macht - möge Euer eigen Licht erstrahlen, auf
das Ihr den Weg stets finden werdet ohne zu stolpern. Die Himmlische Schar
soll neben Euch streiten, um das Dunkel in den Herzen Eurer Gegner zu
zerschlagen. Das allwissende Auge soll sehen, was anderen bisher verborgen
blieb und brennen sollen die Sünder in der Flamme, um geläutert daraus
hervorzugehen. Die Götter des Krieges und der Dunkelheit werden fallen zu
unseren Füßen, nur um in unseren Reihen aufzuerstehen und unseren Schwertarm
zu stärken.
Denkt immer daran - In homine deus est, quis, incertum.
Echodim."
>> Echodim << schallte der
Gestalt aus hunderten Mündern entgegen und er verbeugte sich stumm mit an
seiner Brust verschränkten Händen vor der versammelten Menge. Dann drehte er
sich um und ging gemessenen Schrittes durch ein kleines Seitenschott. Auch Ankhman war schon wieder verschwunden - jedenfalls stand er nicht mehr an
den Portaltüren. Bambi schaute sich mit erhobener Augenbraue um und nickte
den vorbeikommenden Clanmitgliedern zu, die ihn im Hinausgehen grüßten. Die
schwebenden Kameramodule verschwanden in den hinteren Ausgängen und die
Kathedrale leerte sich. Schnellen Schrittes bog Ankhman um die Ecke und steuerte auf
den Leiter der Schattengilde zu. Der Illuminatin einen Handkuss zuhauchend,
lächelte er den näher kommenden Freunden zu.
"Und wie hat es euch gefallen, Freunde?"
*schnauf* "Ich bin schnell noch einmal los, um zu
sehen, wie die Vorbereitungen für eine weitere Sache laufen."
"Noch etwas? Dabei hast du dich heute wahrlich
schon mit genug Seltsamkeiten umgeben."
Ankhman tat so, als sei ihm der deutliche Unterton entgangen und
reagierte nicht auf die unausgesprochene Frage. Stattdessen umfasste er Grokar mit dem rechten Arm an den Schultern und zog ihn grinsend mit sich
aus der nun stillen Kathedrale, die anderem hinter sich im Schlepptau.
"Meine Freunde - Grokar .. dich einmal
ausgeschlossen - habt ihr schon mal in einem Rhacal gesessen ..?"
|
|