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Der
Aufstieg
Verlassen und leer lagen die Flure des
imperialen Palastes in Mural Dyrinn da. Eine einsame Wache stand vor dem
Portal des Thronsaals und lehnte lässig an der Wand. Er hatte sich
freiwillig gemeldet, hier zu stehen – das gab gute Gratifikationen und er
konnte dem ganzen Trara um einen toten Botschafter und die schnell zu
fällenden Entscheidungen nichts abgewinnen. Aber dass das Ganze nun schon
fünf Stunden dauerte, war mehr als übertrieben – wenn mal jemand so
ausgiebig um die normalen Gardepiloten trauern würde, die da draußen
tagtäglich ihre Haut bei den Skasim zum Markte trugen. Gähnend und sich
streckend lockerte er seine Schultern und sprang plötzlich in Stellung, als
er Schritte und rauschende Gewänder hörte. Kurz darauf kam Suse um die Ecke,
angetan in einem roten Kleid edelsten Brokats mit eingewirkten Goldfäden,
einer bodenlangen Schleppe und einem hauchdünnen Gazeschleier. Erstaunt
betrachtete sie ihr Gegenüber und lächelte dann knapp.
„Nanu, so allein auf Posten hier und heute, Soldat?“
„Kaiserin, ich muss! Alle sind unterwegs wegen der Einberufung der
Reservisten und der Garde und so.“
„Ach ja, da bin ich dann wohl ein kleines bisschen zu spät…na, macht ja
nichts.“
Mit einem breiten Grinsen strich sie der Wache verspielt einmal quer über
die Brust und rauschte weiter. Mit einem unsicheren Seufzen ließ er sich
wieder an die Wand sinken. Sollten die Gerüchte wahr sein, war diese
Annäherung eine Einladung für heute Abend gewesen. Aber was, wenn er nun vor
den Toren ihrer Residenz stand und … ach alles Mist, Frauen waren ja so
kompliziert.
Mühelos stieß sie die Flügel des Portals auf und ging zu den im Halbrund
aufstellten Sesselreihen. Das wilde Gemurmel und die Gespräche zwischen den
nebeneinander sitzenden Männern verstummten und schauten ihr halb belustigt,
halb ärgerlich entgegen. Der Imperator saß leicht gebeugt in seinem Thron,
stützte sich mit dem Kinn auf die rechte Hand und sah Suse unter halb
geschlossenen Augenlidern an. „So, bequemt ihr euch auch endlich, uns in unserer
Runde mit eurer Anwesenheit zu beglücken, Kaiserin?“
Ihr entgingen nicht die leicht zuckenden Mundwinkel des mächtigsten Menschen
dieses Planeten. Still ließ sie sich in den freien Sessel fallen und kämpfte
dann ein paar Sekunden mit den sich aufbauschenden Stofffluten.
„Ich bin voll im Bilde, ich habe die Beratung über den Interkom verfolgt und
kann dem nichts hinzufügen.“
„Nun dann bleibt uns nur zu hoffen, dass unsere Planungen von Glück
beschienen sind und sie den Erfolg bringen, den wir uns wünschen. Es sieht
nicht gut aus, die Skasim rüsten sich mehr und mehr. Die Städte der vier
Häuser sind einigermaßen sicher. Khargarass wurde von Dragov zusammen mit
dem Atlantikwall zufrieden stellend geschützt, New Haven von Corelis und
Nova Roma von Achron sind auch relativ unbeschädigt - nur in Atlantika sind
geringere Schäden festzustellen, aber Siveria hat dort hart zurückschlagen
können mit Hilfe ihrer Raumstreitkräfte. Alle Berichte sind in den
entsprechenden Subspeichern abrufbar. Doch alles deutet darauf hin, dass es
zu einem finalen Schlag kommen wird. Und wo der stattfinden wird, brauche
ich wohl keinem zu verdeutlichen. Gut, dann an die Arbeit, ich erwarte
innerhalb der nächsten zwei Tage die Bestätigungsmeldungen.“
Mit diesen Worten standen nacheinander alle Anwesendem auf und gingen
Richtung Ausgang.
„Kaiserin, auf ein Wort…“
Suse stockte in ihrem Schritt und drehte sich nicht sofort um. War sie
diesmal zu weit gegangen mit der Dehnung der Anweisungen? Bisher hatte sie
angenommen, sie hätte eine gewisse Freiheit in der Befehlsauslegung, solange
alles zur Zufriedenheit erfüllt wurde. Fast ruckartig wandte sie sich dem
Thron zu. Der Imperator seufzte, erhob sich und ging langsam die Stufen der
kleinen Treppe herab. Unten angekommen streckte er auffordernd seine Hand
aus und Suse legte die ihre hinein. Gemessenen Schrittes führte er sie durch
die Arkaden der großen Halle zu einem der grandiosen Balkons. Durch eine
gläserne Tür traten sie vom Halbdunkel hinaus in die Helligkeit der
Mittagssonne. Geblendet blinzelten beide in das Licht und traten an die
Brüstung. Vor ihren Augen erstreckte sich der riesige Komplex der imperialen
Hauptstadt. In der Ferne machte sie den blitzenden Turm des Hauses Corelis
aus und in der anderen Richtung waren die Rauchsäulen der Feuer von Siveria
zu sehen. Geschwungene Konturen wechselten sich ab mit Kegeln und Quadern.
Schluchten gleich zogen sich Transportwege durch die künstliche
Hügellandschaft und mitunter schob sich eine der kleinen
Überwachungsdrohnen, von gegenläufigen Rotoren in der Luft gehalten, ins
Sichtfeld.
„Was siehst du hier vor dir?“ fragte der Imperator und machte eine
weitschweifige Geste mit seinem rechten Arm. Suse schaute unsicher zur Seite
und versuchte ein Zeichen im Gesicht ihres Gesprächspartners dafür zu
finden, was er hören wollte.
„Mural Dyninn, die imperiale Hauptstadt? Dahinter die mittlerweile teilweise
verwüsteten Felder des Adria-Tieflandes und Teile des Frachtraumhafens …?“
Ihr war irgendwie unwohl.
„Einen blinden Koloss, der um seine Zähne fürchtet.“ Der Imperator sah
plötzlich uralt aus und unwillkürlich fragte sich die Kaiserin, wie viele
Jahre seit seiner Geburt tatsächlich vergangen waren. „Der Sieg in den
Feldern vor einigen Monaten durch Selaris und der Einsatz der Okularis hat
uns mehr gekostet als eingebracht. Die Sensorphalanxen sind erst teilweise
wieder einsatzfähig und die Spährenradarkuppeln der vorgelagerten Spähposten
in Richtung Clanländer sind nicht ausreichend in ihrer Kapazität, um alles
abzudecken. Das Tiefland hat viele Wunden davongetragen und die Versorgung
mit Agrarprodukten steht kurz vor einem Engpass. Die Renaturierung geht nur
schleppend voran, unsere Mittel sind derzeit eher gering. Die Skasim rücken
immer weiter vor und die Kapazitäten der Häuser sind in ihren eigenen
Ländereien gebunden. Uns bleibt die Garde und das Hoffen, dass unsere
Verbündeten rechtzeitig eintreffen.“
Verbündete? Suse zog die Stirn kraus und blickte auf die unüberschaubare
Masse von Gebäuden. Den Kopf zu wenden und den Imperator anzuschauen wagte
sie nicht. Die Stimme klang brüchig und in solchen Momenten war es besser,
den Leuten ihre Privatsphäre zu gewähren. Unsterblichkeit hin oder her –
Mensch blieb Mensch. Aber was für Verbündete konnten das schon sein, wenn
selbst die Häuser mit ihren Streitmächten nicht eingreifen konnten. Das
Schweigen zog sich noch ein paar Minuten in die Länge, dann folgte ein
Räuspern.
„Du kannst dich jetzt entfernen, auf deinem Schreibtisch findest du einige
Anweisungen, die ich alsbald umgesetzt sehen will. Silverion kann das ja nun
nicht mehr.“
Mit stummem Nicken und ohne einen Kommentar zum letzten Satz entfernte sich
Suse und sah sich im Torbogen noch einmal um. Da stand er - aufrecht und mit
hinter dem Rücken verschränkten Armen - wieder ganz Kraft, Mut und
unbeugsamer Wille.
Das große Holodisplay vor ihr teilte sich in fünfzehn einzelne Zellen, in
denen dann diverse Clanwappen aufleuchteten. Nach und nach wurden sie mit
Gesichtern gefüllt, die teils angespannt und teils neugierig zu ihr herüber
schauten.
„Alle da? Gut! Ich muss euch leider über den Tod des imperialen Botschafters
Silverion informieren. Er fiel gestern in einer ehrenvollen Schlacht gegen
die Skasim, der Reaktor seines Dragoon ging durch und hinterließ nicht sehr
viel mehr als Asche.“
Ein wenig verwunderte es sie, wie einfach und gefühllos ihr die Worte über
die Lippen kamen. Die nächsten Sekunden ignorierte sie die aufgeregten
Fragen ihrer Gegenüber und betrachtete die Fingernägel ihrer Hände, die
entspannt auf den Lehnen des Stuhls lagen. Dann straffte sich ihre Gestalt
wieder und sie unterbrach das Stimmengewirr rigoros.
„Jetzt haltet mal alle eure kostbare Luft an. Trauern könnt ihr später immer
noch, falls ihr wollt. Denkt ihr, ich kontaktiere euch deswegen? Es gibt
Wichtigeres. Der Imperator hat einige Anweisungen und will sie
schnellstmöglich ausgeführt sehen. Die Berater werden aufgelöst und neu
strukturiert. Ich schalte euch jetzt eine Liste in euer Display. Wie ihr
auch ohne meinen Hinweis sofort bemerkt hättet, gibt es nur eine
Umbesetzung, aber alles wird konzentriert und wieder Spezialgebieten
zugeteilt. Das soll verhindern, dass ihr euch zuviel in unwichtigen Sachen
verrennt, wie ihr das in letzter Zeit gerne getan habt. Dann kommen auch
keine Anfragen, ob es etwas zu tun gäbe. Sagt der Langeweile Lebewohl,
Jungs. Nun zu den Details.“
Ihre eigenen Notizen überfliegend, tippte sie einiges in die im Tisch
integrierte Matrixtastatur.
„Die Berater werden umbenannt und ihr erhaltet den offiziellen Titel des
Ordens der Imperialen Clanritter. Die Zeremonie und das ganze Blabla kommt
zu gegebener Zeit, also freut euch jetzt nicht zu früh. Des Weiteren werdet
ihr in vier Gruppen aufgeteilt, die verschiedene Schwerpunkte haben. Du,
Wueste und Ungrimm, Hirntot, Bookaroo, Mighty, Riddance und Hitman werdet zu
Imperialen Strategen im Orden.“
Bei der Aufzählung der Namen deutete sie jeweils auf die Gesichter vor ihr.
„Cuon und Gizmoo werden zu Imperialen Designern und Ankhman, Kenji und
Aspergillus zu Imperialen Bewahrern. Chandra,Scorpion und Overheat erhalten
den Titel der Imperialen Technokraten. Die drei letztgenannten Gruppen
werden eng mit dem Hause Achron im Imperialen Archiv zusammenarbeiten, die
anderen sind dort, wo man sie braucht, am besten aufgehoben. Es brechen
harte Zeiten an, meine Herren. Leistungen werden verlangt und die werde ich
einfordern. Wie sie sehen, ist sr972 durch Aspergillus ersetzt worden, der
noch eine Spezialaufgabe erhält. Aber auch dazu später. Klären sie bitte den
Rest unter sich, ich habe nun zu tun.“
Mit diesen Worten deaktivierte sie die Holophalanx vor sich und sinnierte
kurz vor sich hin. Dann erhob sie sich und ging summend aus ihrem Büro … das
würde bestimmt noch spaßig werden.
„… You can do magic … you can have everything, that you desire … hmmhmmmmhmm” |
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